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Archiv-Artikel

SPÖ erobert die Wiener Hofburg

Der Sozialdemokrat Heinz Fischer gewinnt klarer als erwartet die Präsidentenwahlen in Österreich. Parteigenossen sprechen von einem Denkzettel für die Regierung

WIEN taz ■ Das Präsidentenamt in Österreich bleibt in Männerhand. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen wurde erwartet. Zuletzt fiel der Vorsprung für Heinz Fischer aber mit 52,8 Prozent gegenüber den 47,2 Prozent seiner Rivalin Benita Ferrero-Waldner (Hochrechnung von 17:30) doch recht deutlich aus. Die Wahlbeteiligung lag lediglich bei rund 60 Prozent.

Die Cheerleaders im Kursalon Hübner, wo die Wahlparty der ÖVP vorbereitet war, versuchten für Stimmung zu sorgen, wann immer eine Kamera in die Nähe kam. Auch Wahlkampfmanager Florian Krenkel wollte noch eine Trendwende herbeireden, nachdem die erste Hochrechnung die Niederlage von Benita Ferrero-Waldner verkündet hatte. Er sprach von einer beachtlichen Aufholjagd, denn vor zwei Monaten hatte Fischer in den Umfragen noch mit 10 Punkten Vorsprung geführt. Krenkel lobte seinen „modernen, engagierten und jugendlichen Wahlkampf“.

ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka, der offenbar bereits konkretere Teilergebnisse kannte, hatte inzwischen dem siegreichen Sozialdemokraten gratuliert. Dessen Wahlkampfleiter Norbert Darabos sprach von einem Denkzettel für die Regierung. Der 65-jährige Politveteran habe mit seinem überzeugenden Eintreten für die Neutralität und soziale Gerechtigkeit überzeugt. Darabos erwartet von diesem Sieg bundespolitischen Rückenwind für die SPÖ, die im März in Salzburg gewinnen konnte und in Kärnten zumindest stark zulegte.

Die nächste Kraftprobe folgt am 13. Juni bei den EU-Wahlen. Aufatmen wird vor allem auch Parteichef Alfred Gusenbauer, an dessen Führungsqualitäten in den letzten Wochen Zweifel geäußert wurden. Der Pakt der Kärntner SPÖ mit dem wiedergewählten Landeshauptmann Jörg Haider wurde von ihm widersprüchlich kommentiert. Zuerst erklärte er ihn als lokales Phänomen, dann kritisierte er, dass er zu schnell geschlossen worden sei und schließlich ging er auf Distanz zu seinem Kärntner Parteiobmann Peter Ambrozy.

Für den Wahlkampf von Heinz Fischer wirkte das wenig aufbauend. Hätte Fischer verloren, dann wäre eine Obmanndebatte ausgebrochen. Fischer will nach einem Jahr die Akzeptanz von 70 Prozent der Bevölkerung gewinnen. Die Aussichten stehen nicht schlecht. Der Verfassungsjurist hat sich in zwölf Jahren als erster und in zwei als zweiter Nationalratspräsident als Mann des Ausgleichs profiliert. In ersten Straßenbefragungen äußerten sich auch Wähler von Ferrero-Waldner positiv über den Sieger. Mit Fischer zieht nach 18 Jahren wieder ein Sozialdemokrat in die Hofburg ein. Er hat versprochen, auf imperiales Gepränge zu verzichten. Einer seiner ersten Akte wird ein Besuch bei den Hilfswerken sein, die sich für Obdachlose und Asylbewerber einsetzen. RALF LEONHARD

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