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Archiv-Artikel

Rederecht für Schwatte

Auf den diesjährigen Mai-Kundgebungen des DGB sollen auch Rüttgers und andere CDUler sprechen – für viele GewerkschaftlerInnen ein rotes Tuch

“Wir sind eine Einheitsgewerkschaft“, sagen die einen. Die anderen fordern kämpferische Redner

von ANNIKA JOERES

Auf die Schwatten wäre er nie gekommen. Ludger Hinse, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Bochum, will am Tag der Arbeit am kommenden Samstag auf seine eigenen Leute setzen: Am 1. Mai sprechen hier die Personalratsvorsitzende der örtlichen Sparkasse, der Betriebsratsvorsitzende von Thyssen Krupp und Hinse höchstpersönlich. „Das ist am besten und bringt keinen Ärger.“ Auch Oberbürgermeister Ernst-Otto Stüber darf sprechen, „aber der ist ja auch Genosse“, sagt Hinse. Wenn allerdings bei den nächsten Kommunalwahlen die CDU gewinne – „was der liebe Gott verhindern möge“ – habe er keine Wahl: „Dann dürfte auch der Schwatte sprechen.“

Nicht alle DGB-Mitglieder sehen die RednerInnen-Liste für den traditionellen Arbeitertag so pragmatisch. Jeder DGB-Bezirk lädt die Redner für den 1. Mai selbständig ein – in CDU-dominierten Regionen wie dem Münsterland oder dem Sauerland stehen dann oft schwarze Bürgermeister auf der Liste. In Bocholt soll der Rede des CDU-Oberbürgermeisters ein Auftritt des nordrhein-westfälischen CDU-Chefs Jürgen Rüttgers folgen. Der regionale Gewerkschaftschef Bernhard Tenhofen, bis 1996 selbst Christdemokrat, hatte Rüttgers eingeladen. Verdi lehnt die Einladung des konservativen Politikers ab. „Es ist unglücklich, dass in Bocholt gerade ein Vertreter der CDU die Rede hält, die die Tarifrechte aushebeln und das Arbeitsrecht einschränken will“, heißt es in einem Schreiben der Verdi-Bezirksleitung Coesfeld-Borken. Sie fordern eine Person, der oder die die Rechte der ArbeiterInnen vertritt.

Rolf Hannemann, Organisationssekretär beim DGB Münsterland, kann die Bedenken seiner Kollegen und Kolleginnen nicht nachvollziehen. „Die Farbe der Politiker spielt für die Einladung keine Rolle“, sagt Hannemann. Schließlich müssten die Gewerkschaften vor Ort mit allen Parteien zusammenarbeiten, ob es nun um Jugendarbeitslosigkeit oder Strukturpolitik gehe. In Hannemanns Bezirk sind fast alle zwölf Städte CDU-regiert. „Wir können da nicht wählerisch sein“, sagt er. Immerhin hätten sich die WählerInnen und damit auch die Arbeiter und Arbeiterinnen für die CDUler entschieden und in der Gewerkschaft sei von der DKP bis zu den Konservativen alle Strömungen vertreten. „Wir sind eine Einheitsgewerkschaft“, sagt Hannemann.

Auch der DGB-Niederrhein versteht sich als überparteilich, hat in diesem Jahr aber „ zufällig auf die eigenen Leute gesetzt“, sagt ihr Vorsitzender Rainer Bischoff. Der SPD-Landtagsabgeordnete hatte im vergangenen Jahr die Christdemokraten Helmut Linsen und Ronald Pofalla zu Gast, am Samstag werden in Duisburg und Umgebung aber nur Gewerkschafter sprechen. Trotzdem gilt für Bischoff: Wenn Rüttgers ein guter Redner ist, ist das o.k“.

Dieter Hillebrand vom DGB-Bezirk Mülheim, Essen und Oberhausen fragt sich allerdings, „ob so einer wirklich von außerhalb kommen muss.“ Die jeweiligen Rathauschefs einzuladen sei unumgänglich und „eine 40-jährige Tradition“. So wird auch in Essen Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger von der CDU auftreten. Er hatte vor Jahren die Mai-Veranstaltung für eine Wahlkampfrede genutzt. Er wurde ausgebuht und ausgepfiffen, dieses Jahr redet er unter Auflagen, behauptet Hillebrand. „Reiniger wird am Samstag für die Arbeiter und Arbeiterinnen sprechen.“