: Behinderte Schüler werden behindert
Eine Hauptschule im Rheine wehrt sich dagegen, eine Förderklasse für behinderte Kinder einzurichten. Der Schulausschuss stellt sich auf die Seite der Schule, die Elterninitative ist enttäuscht. Im Mai entscheidet der Stadtrat
RHEINE taz ■ In der münsterländischen Stadt Rheine werden behinderte ViertklässlerInnen im nächsten Schuljahr auf die Sonderschule abgeschoben, weil keine weiterführende Schule sie aufnehmen will. Die sechs Kinder, um die es sich handelt, waren bisher in Kindergarten und Schulen mit nichtbehinderten Kindern zusammen. Die Landesregierung versucht zurzeit, für solche Fälle die Einrichtung von sonderpädagogischen Förderklassen an Haupt- oder Realschulen nach vorne zu bringen: Sie stellt dafür Personal zur Verfügung. Die Stadt ist dafür zuständig, die geeignete Schule damit zu beauftragen. Die Schule muss angehört werden, hat aber kein Veto-Recht.
Die Stadt Rheine ist nun seit Monaten mit der Elisabeth-Hauptschule im Gespräch. Diese verfügt über genügend Kapazitäten, um die Kinder aufzunehmen. Die Schule hat jedoch in zwei Konferenzen mehrheitlich mit Nein gestimmt. Die Kinder seien woanders besser aufgehoben, war die Begründung des Rektors Klaus Barduhn gegenüber der Stadt. Man habe bereits MigrantInnen zu integrieren und die behinderten Kinder „könnten nicht nach ihren individuellen Bedürfnissen gefördert werden.“ Für die taz war der Rektor bis Redaktionsschluss nicht zu sprechen.
Das Verständnis der Stadt für die Bedenken der Schule ist gering: „Wir erwarten ein bisschen mehr gesellschaftliche Verantwortung“, sagte die Schuldezernentin Ute Ehrenberg zur taz. Schließlich würde der Schule auch eine sonderpädagogische Lehrkraft zur Verfügung gestellt. Auch der Schulausschuss und der Stadtrat haben sich bisher für die Beschulung der Kinder auf der Elisabeth-Schule ausgesprochen. Nachdem nun aber die Schulkonferenz ein zweites Mal gegen die Maßnahme an ihrer Schule stimmte, hat vergangene Woche der Schulausschuss dem Rat empfohlen, nicht gegen den Willen der Schule zu handeln.
„Wir sind sehr enttäuscht“, sagt Ulrich Baggemann, Sprecher der Initiative „Eltern für Integration an weiterführenden Schulen“. Er selbst habe beim Schulausschuss noch einmal vorgesprochen, aber ohne Erfolg. Seine Tochter Julia hat ein Downsyndrom, für sie sei die die integrative Förderung das richtige Modell. „Aber die Behinderten haben einfach keine Lobby“, beschwert er sich.
Der Rat wird nun am 18. Mai endgültig über die Beschulung der sechs behinderten Kinder entscheiden. Falls er der „Empfehlung“ des Schulausschusses folgen sollte, müssen die Kinder auf die entsprechenden Sonderschulen gehen. Die anderen Schulen in Rheine können die Kinder nicht aufnehmen, „wegen angehender Baumaßnahmen“.
Pech für Julia und die anderen sechs Kinder, dass sie nicht erst nächstes Jahr von der Grundschule abgehen: 2005 werden die örtlichen Schulträger vom Land dazu verpflichtet, eine solche Förderklasse an weiterführenden Schulen einzurichten, auch gegen den Willen aller Beteiligten. NATALIE WIESMANN