: Europa verändert Berlin, Berlin verändert Europa
Der 1. Mai naht und mit ihm all die Dinge, die sich an der Grenze zwischen „altem“ und „neuem“ Europa ändern oder auch nicht. Was ist mit den Grenzkontrollen? Wann kommt der Euro? Bleibt Haschisch strafbar? Was ist topp, was ist Flop? Das A bis Z der Osterweiterung lässt keine Fragen offen
VON UWE RADA
A wie Autovermietungen
Für viele Autoverleiher hat die Osterweiterung noch nicht stattgefunden. Sie bleiben lieber bei ihren Restriktionen. Das heißt: Auto mieten und ab nach Frankreich klappt. Für die Reise nach Polen oder Tschechien muss man immer noch auf den eigenen Wagen zurückgreifen. Wir meinen: Flop!
B wie Butterschiffe
Wer seinen Alltag bislang damit zugebracht hat, auf den Butterschiffen auf der Oder nach Schnäppchen zu jagen, wird aus der Osterweiterung als Verlierer hervorgehen. Der zollfreie Einkauf entfällt mit der Abschaffung der EU-Außengrenze. Aber vielleicht kann man bald am Bug – dem Grenzfluss zwischen Polen und Ukraine – auf Butterschiffen fahren. Wir meinen: Topp. Die Oderkähne können ja künftig Touristen befördern. Der Fluss hätte es verdient.
C wie Cash
Der Cashflow ist künftig gewährleistet. Soll heißen, man kann mit so viel Złotys, wie man möchte, nach Polen ein- und aus Polen ausreisen. Keine devisenrechtlichen Bestimmungen mehr gibt es auch bei der Einfuhr von Euros nach Deutschland. Wer aber mehr als 15.000 davon bei sich hat, muss das den Grenzbeamten melden. Wir meinen: Topp. Übrigens: Der Euro soll auch in Polen und den anderen Beitrittsländern so schnell wie möglich eingeführt werden. Als möglicher Zeitpunkt gilt das Jahr 2007. Die Stabilitätskriterien sind, anders als in Deutschland, kein Problem.
D wie Dziękuję
(Dschienkujä) – So heißt in Polen „danke“. Üben Sie schon mal. „Bitte“ heißt übrigens proszę (proschä). „Topp“ heißt übrigens wzloty und „Flop“ inpadki.
E wie Eigentum
Wer sich an der polnischen Ostseeküste oder im Lebuser Land ein Häuschen kaufen möchte, braucht weiter eine Ausnahmegenehmigung aus Warschau – oder jahrelange Geduld. Der Grund: Für den Erwerb von Ferien- und Erholungsgrundstücken gilt eine Übergangsfrist von 12 Jahren in Polen und 5 Jahren in Tschechien. Das Gleiche gilt für den Kauf von Agrar- oder Forstland. Für Landwirte, die in Polen investieren wollen, gibt es Ausnahmegenehmigungen, die eine Pacht ermöglichen. Ansonsten gilt der freie Kapitalverkehr.
F wie Freizügigkeit
Übergangsfristen gibt es nicht nur in Polen, sondern auch in Deutschland. Das betrifft vor allem die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Wer aus den Beitrittsländern in Deutschland arbeiten möchte, braucht weiter eine Arbeitsgenehmigung. Diese Übergangsfrist kann bis zu sieben Jahre aufrechterhalten werden, wird aber nach zwei Jahren auf ihren Sinn hin überprüft. Volle Freizügigkeit herrscht dagegen beim Recht, auf beiden Seiten von Oder und Neiße eine Niederlassung der eigenen Firma zu gründen. Die Dienstleistungsfreiheit, also das Recht, im Ausland seine Dienstleistungen anzubieten, gilt ebenfalls. Eingeschränkungen gibt es aber auf dem Bau und in der Gastronomie. Flop oder topp? Die Meinungen sind geteilt.
G wie Grenzkontrollen
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, zu glauben, am 1. Mai fielen die Grenzen, und es ginge zu wie an der Grenze zu Frankreich oder Holland: Freie Fahrt für freie Bürger. Grenzkontrollen wird es nämlich bis zum Schengen-Beitritt der neuen EU-Länder weiter geben. Wann der erfolgt, steht noch in den Sternen. Die polnische Regierung hofft, dass es 2007 so weit ist. Andere fürchten, dass es auch erst 2011 sein kann. Der Grund: Voraussetzung ist die Sicherung der Ostgrenze der Union, unter anderem durch die Einführung des „Schengen-Informationssystems II“. Das ist aber gerade erst in der Erprobung. Außerdem müssen alle bisherigen Schengen-Mitglieder der Aufnahme eines neuen Landes zustimmen. Hoffentlich wird das kein Flop.
H wie Haschisch
Bleibt auch nach dem 1. Mai beiderseits von Oder und Neiße verboten. Flop.
I wie Intercity
Der Intercity „Wawel“ nach Krakau bleibt so langsam, wie er ist. 9:37 Stunden dauert die Fahrt ab Berlin. Der Bahn und der polnischen PKP machte hier nicht einmal der 1. Mai ordentlich Dampf. Flop!
J wie Jobs
Bislang war es polnischen Studenten in Berlin oder an der Viadrina in Frankfurt (Oder) nicht erlaubt, unbegrenzte Zeit zu jobben, um ihr Studium zu verdienen. Deshalb gingen viele zum Schuften nach München, um die 30 Tage, die ihnen zur Verfügung standen, wenigstens nicht im Niedriglohnland Berlin-Brandenburg zu verschwenden. Ab Mai heißt es dagegen: Jobben, wo und solange man will. Topp!
K wie Krankenversicherung
Die EU-Kommission wird am 1. Juni eine Europäische Krankenversicherungskarte einführen, die zunächst jedoch nur in zwölf Ländern gilt, darunter auch in Deutschland. Von den Beitrittsländern sind nur Estland und Slowenien dabei. Deshalb: Krankenversicherungsvordrucke mitnehmen. Eine Kostenerstattung funktioniert dann in der Regel unproblematisch. Vorteile haben auch polnische Studenten in Deutschland, die bislang 55 Euro für die deutsche Krankenversicherung ausgeben mussten. Sie können nun auch mit dem E111-Formular für Touristen in Notfällen zum Arzt gehen und bekommen die Kosten von ihrer polnischen Krankenkasse erstattet. Topp!
L wie Lkw
Der Stau nimmt zu. Wer das Gegenteil behauptet, floppt.
M wie Maut
Fragen sie bei Flop Collect.
N wie Nahverkehr
Bahnfahren nach Polen ist künftig auch im Verkehrsverbund Brandenburg möglich. Das gilt für Szczecin und Kostrzyn. Die teuren Auslandstickets entfallen dann. Topp!
O wie Oscypek
Der geräucherte Schafskäse aus der Tatra ist künftig eine geschützte Marke. Topp! Sollte es irgendeinem Brandenburger Bauern einfallen, diesen Käse illegal herzustellen, gibts nicht nur Ärger mit den Góralen (den polnischen Bergbewohnern), sondern auch der EU-Kommission in Brüssel. Flop!
P wie Personalausweis
Der Perso reicht nun auch in Polen und in allen anderen Beitrittsländern. Pässe trotzdem nicht vernichten, schließlich gibt es ja auch außer den Beitrittsländern noch viel zu entdecken. Topp!
Q wie Qualmstengel
Raucher können sich freuen. Polen muss seine Verbrauchsteuern erst bis 2008 denen der EU anpassen. Bis dahin bleiben Krebs erzeugende Genussmittel dort billiger. Allerdings bleibt die Einfuhr nach wie vor auf 200 Zigaretten beschränkt. In der Alt-EU dürfen 800 eingeführt werden. Wir warnen: Krebs ist Flop!
R wie Rauchen
Siehe Q.
S wie Shoppen
Bislang mussten Waren im Wert über 120 Euro (für Auswärtige) und 60 Euro (für Grenzbewohner) verzollt werden. Dies entfällt völlig. Nun können Möbel aus Polen und Tschechien unbeschränkt eingeführt werden. Siehe auch: Z wie Zollkontrollen.
T wie Tanken
Tanken bleibt auch in Zukunft im Osten billiger. Die bisherigen Beschränkungen bleiben aber auch. Erlaubt ist eine Tankfüllung plus 10 Liter (in der Alt-EU sind es plus 20 Liter).
U wie Urlaub
Wer es noch nicht gemerkt hat: Urlaub konnte man im Wilden Osten auch schon vor dem 1. Mai machen. Es lohnt sich aber auch noch nach dem Beitritt. Topp!
V wie Visa
Wer länger als drei Monate in den Beitrittsländern bleibt, benötigt kein Visum mehr. Es gilt der freie Reiseverkehr. Bürger aus Nicht-EU-Ländern wie der Ukraine oder Weißrussland brauchen zur Einreise in die Neu-EU schon seit Oktober ein Visum. Die Regelungen sind aber unterschiedlich.
W wie Weltkulturerbe
Beschränkt bleibt der freie Warenverkehr auch für bestimmte Kulturgüter. Es bestehen aber Hoffnungen, dass die Einfuhr von Gartenzwergen künftig gestattet wird. Topp!
X wie X mal quer
Noch ist nichts über Castor-Transporte nach Polen bekannt. Auch der Bau neuer Atomkraftwerke ist dort, anders als in Tschechien, nicht geplant. Topp!
Y wie Yan-Yan
Wird die Berliner Pandabärin ab Mai in Warschau besamt? Schauen sie am 2. Mai in die B.Z.!
Z wie Zollkontrollen
Diese entfallen. Der Schmuggel von Zigaretten und anderen Waren, die nicht dem freien Warenverkehr unterliegen, wird aber nicht automatisch einfacher. Es wird nämlich weiter stichprobenartige Kontrollen im Hinterland geben. Flop!