NEBENHER LÄSST SICH KEIN NEUES STEUERRECHT EINFORDERN : Auch die Spitzensätze müssen fallen
Das Grummeln bei den roten und grünen Truppen über die Steuerpolitik ihrer Vorleute schwillt an. Es gibt durchaus Zustimmung dafür, die für 2005 gedachte Steuerreform vorziehen zu helfen. Aber nur, und das ist der Haken, wenn die frühzeitige Entlastung in erster Linie kleinen und mittleren Einkommen zugute kommt. Im Klartext: Der Eingangssteuersatz darf runter, aber das Absenken des Spitzensteuersatzes von fast 50 auf 42 Prozent gilt als ungerecht. Wieso den Reichen und Schönen etwas schenken? Ausgerechnet jetzt, da die Regierung den Armen und Schwachen ans Ersparte zu gehen bereit ist? Das Argument ist nur auf den ersten Blick charmant. Man denkt an Robin Hood, wie er sechsspännige Kutschen überfällt, um Nerzmäntel und Kolliers für das täglich Brot der gemeinen Leute zu rauben. Doch in Wahrheit ist es ungerecht, den Spitzensteuersatz nicht parallel zu den Niedrigtarifen herunterzufahren.
Wir alle sind doch dafür, dass höhere Einkommen relativ sehr viel stärker belastet werden als geringe. „Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit“ heißt die Rechtfertigung für die Steuerprogression. Starke Schultern, so die Idee, müssen mehr tragen! Das bedeutet gleichzeitig: Wenn der Rucksack der finanziellen Belastungen für alle leichter werden soll, gilt das Umgekehrte: Dann müssen wir jene vergleichsweise stärker entlasten, die mehr schleppen. Sonst können sie nicht mehr das Muli spielen. Oder sie wollen nicht mehr.
Doch auch wenn die Kritiker der ausgewogenen Steuerreform für Schlecht- und Gutverdiener finden, dass das Prinzip der Leistungsfähigkeit veraltet ist – so nebenher lässt sich die Progression nicht abschaffen. Um ein komplett neues Steuerrecht nicht nur parlamentarisch, sondern auch gesellschaftlich durchzusetzen, braucht man viele Stimmen, weit mehr, als Rot-Grün hinter sich hat.
Mancher behauptet, es sei heute keine Frage von Leistung mehr, Vermögen zu besitzen. Zumeist entstehe es durch Vererbung, aus Macht- und Geldanballung, aus sich selbst heraus, wie zu Robin Hoods Zeiten. Doch auch eine Vermögensteuer hätte wegen der rot-grünen Schwäche im Bundesrat keine Chance – für Steuergerechtigkeit mangelt es Schröder und Fischer an Kraft. CHRISTIAN FÜLLER