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Archiv-Artikel

kuckensema: auf bremens leinwand Heldin von sanfter Unverwüstlichkeit: Hany Abu-Assads Rana

Die Medien ermöglichen nur eine extrem selektive Wahrnehmung. Von Palästina bekommen wir fast ausschließlich Schreckensbilder in die Wohnzimmer geliefert: Trümmer, Verwundete und Leichen. Wie der Alltag in den besetzten Gebieten abläuft – davon gibt es selten Aufnahmen. Diese bietet nun Hany Abu-Assads Film Rana’s Wedding. Gezeigt wird ein Tag im Leben von Rana, einer jungen palästinensischen Frau. Die Kamera folgt ihr auf ihren Wegen durch Ramallah und Ost-Jerusalem, und zeigt alles so direkt, kunstlos und machmal wackelig wie in einem Dogmafilm. Der Tag ist für den Rest von Ranas Lebens entscheidend – das verleiht dem Film seine Spannung und bringt uns die junge Frau mit ihren Nöten und Ängsten näher. Aber das Besondere an ihm ist, dass er eine Ahnung davon vermittelt, wie Palästinenser in ihrer besetzten Heimat leben.

Rana erfährt am frühen Morgen, dass sie an diesem Tag entweder heiraten oder mit ihrem Vater nach Ägypten auswandern muss. Ihr Vater hat ihr auch gleich eine Liste mit genehmen Heiratskandidaten gegeben. Aber sie will nur den Schauspieler Khalil als Bräutigam. Um vier Uhr nachmittags bricht der Vater zum Flughafen auf, bis dahin ist Rana entweder verheiratet oder sie begleitet ihn. Das ist schon unter normalen Bedingungen ein beachtliches Tagespensum. Im Chaos des besetzten Landes, wo man ständig an Checkpoints kontrolliert wird und nervöse Soldaten mit entsicherten Waffen patrouillieren, ist es fast unerfüllbar.

Doch Rana rennt. Mit ihrer sanften Unverwüstlichkeit wird sie schnell zu einer sehr sympathischen Heldin. Der Vater muss mitspielen, ein Beamter herangeschafft werden, sie braucht ein Hochzeitskleid – und zu allererst muss sie Khalil von seinem Glück überzeugen. Aber der ist nicht zu finden und auf die Telefonanrufe antwortet er auch nicht.

Der Film hält eine feine Balance zwischen Fiktion und Dokumentation. Zwar sind alle Rollen mit Schauspielern besetzt und das Drehbuch von der Schriftstellerin Liana Badr klassisch konstruiert. Doch wurde Rana’s Wedding an Originalschauplätzen ohne Genehmigung gedreht. Wenn da Soldaten eine Straße absperren und ein Haus in wenigen Minuten vom Bulldozer eingerissen wird, schaut die fiktive Rana durchs Fenster der Nachbarswohnung einem sehr realen Drama zu. Wie absurd das Normale und wie normal das Absurde unter diesen Umständen ist, wird auch aus den Erzählungen des Regisseurs deutlich. Während der Dreharbeiten, so Abu-Assad, seien Soldaten zu ihm gekommen, um die Soldaten-Darsteller zu kritisieren: Diese seien zu sanft. Sie selbst würden in der Situation viel brutaler vorgehen und boten an, ihm das vorzuführen. Er habe, so Abu-Assad, dankend darauf verzichtet. Wilfried Hippen

Läuft OmU im Kino 46 – Termine siehe Kino-taz