: 68er raus aus der Regierung
Walter Hirche kündigt seinen Rückzug als Wirtschaftsminister in Niedersachsen an. Seinen Nachfolger hat sich der Liberale seit langem ausgeguckt: Es ist die FDP-Führungsreserve Philipp Rösler, der eigentlich lieber Wissenschaftsminister wäre
VON KAI SCHÖNEBERG
Rente mit 67, auch da ist Walter Hirche eisern. Am 13. Februar, seinem 68. Geburtstag, will der Wirtschaftsminister von Niedersachsen sein Amt aus Altersgründen abgeben. Ein Generationswechsel. Partei- und Fraktionschef Philipp Rösler soll sein Nachfolger werden. Wer sonst? „Ich sehe in der FDP keinen anderen ernsthaften Anwärter“, sagte Hirche. Am 18. Februar soll Rösler im Landtag vereidigt werden. Nur noch Formsache, dass er auch Vize-Ministerpräsident wird. Wer nach Hirche Koordinator der Bundesländer mit FDP-Regierungsbeteiligung („F-Länder“) wird, ist noch nicht klar, Vorsitzender der deutschen Unesco-Kommission will Hirche vorerst bleiben.
Der Schritt war im politischen Hannover seit langem erwartet worden. Hirche hatte den als „Polit-Star“ geltenden 35-jährigen Rösler als Nachfolger aufgebaut. Am deutlichsten wurde dies, als er Rösler im März 2006 zu seinem Nachfolger als Chef der Landespartei machte. Dennoch: Das Wirtschaftsministerium ist nicht unbedingt Röslers Traumjob. Eigentlich interessiert er sich mehr für Wissenschaftspolitik. Seit 2003 ist er Vorsitzender der Landtagsfraktion. Hier kann der gelernte Bundeswehrarzt bisweilen besser Strippen ziehen als ein in die Kabinettsdisziplin eingebundener Minister. Andererseits braucht Rösler die Erfahrung als Amtschef, um sich weiter zu profilieren. In der Bundes-FDP gilt der Liberale angesichts der dünnen Talentdecke der Partei als Führungsreserve: Seit vier Jahren sitzt er im Präsidium der Bundes-FDP, vielen spricht Rösler aus dem Herzen, wenn er gegen Parteichef Guido Westerwelle stichelt.
Hirche betonte gestern, wie schwer es ihm gefallen sei, nach Jahrzehnten von der Macht zu lassen: „Meine Frau ist noch etwas unruhig, wie sich diese Entscheidung auswirken könnte.“ Bereits 1974 war der gelernte Geschichts- und Französischlehrer erstmals Abgeordneter im Landtag gewesen. Als Wirtschaftsminister im letzten Kabinett von Ernst Albrecht (1986-1990) legte er das deutschlandweit erste Programm zur Förderung erneuerbarer Energien auf. Dann wechselte er in gleicher Funktion in die Ampel-Koalition nach Brandenburg, von 1994 bis 1998 war er unter Angela Merkel Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Seit 2003 ist Hirche Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in Niedersachsen: Geräuscharm, aber auch ohne Glanzpunkte erledigte der Aktenfresser seinen Job. Intern als Förderer des Mittelstands und nur wackerer Rhetor bekannt, werden von Hirche sonst vor allem das Ende der Toiletten-Pflicht in Bäckereien und das gescheiterte Projekt der Mega-Laster in Erinnerung bleiben. Immerhin: Die Untersuchungsausschüsse zum Transrapid-Unglück und zum Jadeweserport überstand er mit Schrammen.
Während sich Rösler gestern mit Ankündigungen zurückhielt, prasselten von allen Seiten Forderungen auf den künftigen Minister ein. „Kraftvolle Impulse zur Ankurbelung des niedersächsischen Arbeitsmarktes“, wünschte sich DGB-Landeschef Hartmut Tölle. Die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik in Niedersachsen sei „in den letzten Jahren wie gelähmt“ gewesen. SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner warnte sogar CDU-Regierungschef Christian Wulff vor der Berufung Röslers. „Fachliche Eignung muss eindeutig vor Parteiräson gehen“, sagte Jüttner. Hirche habe für „Beton und Asphalt“ gestanden, erklärte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. Der Nachfolger müsse auf Talente und energiesparende Technologien setzen.
Seine Pensionierung bedeute nichts für Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP), die andere Silberlocke im Wulff-Kabinett, sagte Hirche. „Er hat den Vorteil: Er ist vier Jahre jünger als ich.“ Nur „68er“ gehörten „nicht unbedingt in die Regierung“.
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