Unklares Symbol namens Kopftuch

Niedersachsen hat das Kopftuch verboten – und alles ist genauso unklar wie vorher. CDU und SPD kommen zu unterschiedlichen Interpretationen. Ist nun eine Einzelfallprüfung nötig oder nicht? Wie wichtig sind die Motive der Frau?

AUS HANNOVER JÜRGEN VOGES

Wie in Baden-Württemberg dürfen nun auch in Niedersachsen muslimische Lehrerinnen keine Kopftücher mehr tragen. Die CDU/FDP-Regierungskoalition und die SPD-Opposition verabschiedeten gestern nach monatelangen Kontroversen einen wortreichen Zusatz zum Paragraphen 51 des Schulgesetzes. Damit werden Lehrkräfte auf ein „äußeres Erscheinungsbild“ verpflichtet, das dem „Bildungsauftrag der Schule“ entspreche. Allerdings ist zwischen SPD und CDU völlig umstritten, welche Folgen dieses Gesetz konkret haben wird. Ist es wie ein generelles Verbot zu verstehen, wie die Union findet, oder zwingt es nur zur Einzelfallprüfung, wie die SPD meint?

Wörtlich heißt es: „Das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften in der Schule darf, auch wenn es von einer Lehrkraft aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen gewählt wird, keine Zweifel an der Eignung der Lehrkraft begründen, den Bildungsauftrag der Schule erfüllen zu können.“ Dass diese komplizierte Formulierung kein Beitrag zur Gesetzesklarheit darstellt, wurde schon in der Debatte vor der Verabschiedung des Verbots deutlich.

Kultusminister Bernd Busemann (CDU) sieht in dem Gesetz eine Rechtsgrundlage, um Lehramtsbewerberinnen, die das Tuch im Unterricht tragen wollen, generell nicht einzustellen und um Lehrerinnen mit Tuch zu entlassen. Denn wie der Kultusminister findet, kommt es auf die Motive der Kopftuchträgerin nicht an. Entscheidend sei, dass das Kopftuch von den Schülerinnen als Symbol für die Unterdrückung der Frau und für das Eintreten für einen Gottesstaat verstanden werden könne. Bei einer Weigerung, das Kopftuch abzulegen, sei daher in jedem Falle der Zweifel an der Eignung angebracht, den schulischen Bildungsauftrag zu erfüllen. Busemann machte aber auch deutlich, dass die wortreiche Ergänzung des Schulgesetzes seiner Auffassung nach nichts Neues bringt, sondern nur die Erfüllung einer vom Bundesverfassungsgericht auferlegten Pflicht darstellt: Die Novelle sei „genau genommen keine Änderung im materiellen Sinne“. Sie bestätige nur, was im Schulgesetz ohnehin als „Werthaltung“ vorgesehen sei.

Die SPD stimmte der Schulgesetzergänzung mit wenigen Ausnahmen zu. Nach Auffassung ihres Fraktionschefs Sigmar Gabriel führt die Novelle jedoch nicht zu einem generellen Kopftuchverbot für niedersächsische Lehrkräfte. Stattdessen müsse in einer Einzelfallprüfung festgestellt werden, ob sich hinter dem Kopftuch ein theokratisches Staatsverständnis verberge.

Die Grüne Rebecca Harms kritisierte die Kopftuchdebatte als populistische Kampagne gegen die Muslime, die gerade muslimischen Frauen den Weg in den Beruf erschwere. Aus ihrer Sicht ist der Zusatz überflüssig: Schon immer hätten Lehrerinnen, die ihre Schüler indoktrinieren, aus dem niedersächsischen Schuldienst entlassen werden können. Die Grünen stimmten als einzige Landtagsfraktion gegen das Kopftuchgesetz.