Lehrer lässt zum Schläger greifen

Nach dem überraschenden Aus von Friedel Strupp wird nun Andreas Keller Trainer der Hockeyfrauen vom BHC. Kellers Ziel: das Endspiel um die deutsche Meisterschaft

In der Wirtschaft würde das wohl „interne Lösung“ heißen: Als im Februar Friedel Stupp, Trainer der Damenbundesligamannschaft des Berliner Hockeyclubs (BHC), nach sieben erfolgreichen Jahren überraschend seinen Abschied verkündete, schauten sich die Verantwortlichen des Zehlendorfer Vereins zuerst in den eigenen Reihen um. Und sie entdeckten: Andreas Keller, BHC-Jugendtrainer, Ex-Nationalspieler und Olympiasieger von 1992.

Der 38-Jährige ließ sich nicht lange bitten, dem Tabellenzweiten der Bundesliga vorerst bis zum Saisonende aus der Klemme zu helfen – trotz der hohen Belastung durch seinen Beruf als Sonderschullehrer und seinen Nebenjob als Nachwuchscoach. Zwei Spielerinnen waren an Kellers Berufung nicht ganz unbeteiligt: Torhüterin Louisa Walter und Stürmerin Natascha Keller; die Erste ist die Lebensgefährtin, die Zweite die jüngere Schwester des neuen Trainers. „Man hilft natürlich besonders gern aus, wenn Freundin und eigene Schwester darum bitten.“

Die enge Bindung zu den beiden Schlüsselspielerinnen scheint kein Hindernis für den Erfolg zu sein: Gestern schaltete der BHC mit einem 5:1 gegen Eintracht Braunschweig einen von vier Verfolgern aus. Ein Punkt trennt die Berlinerinnen nun vom Dritten, dem Rüsselsheimer RK, der kommenden Sonntag auf dem Kunstrasen an der Wilskistraße zu Gast ist. Am drittletzten Spieltag der Punkterunde haben es Kellers Damen dann selber in der Hand, einen weiteren Konkurrenten um den zweiten Tabellenplatz und die damit verbundene Qualifikation für das Endspiel um die deutsche Meisterschaft auf Abstand zu halten.

Nach dem als Schweiger bekannten Friedel Stupp steht mit Keller nun ein wahrer Lautsprecher an der Seitenlinie. „Ich bin garantiert nicht ruhig“, hatte der Trainer in einem Interview vor seinem ersten Spiel verkündet. Die Deutsche Hockeyzeitung urteilte nach dem Debüt galant: „deutlich redseliger als der Vorgänger“. Den BHC-Damen scheint Kellers extrovertierte Art jedenfalls zu gefallen: „Mein Bruder hat viel Erfahrung und eine gute Ansprache“, sagt Natascha Keller. Einigen Spielerinnen, die zuletzt unter Motivationsproblemen gelitten hätten, habe er wieder Lust auf Hockey gemacht, so die Trainerschwester.

Neuer Schwung an der Seitenlinie, intensives Training und dazu ein noch offensiveres Spielsystem – mit dieser neuen Mischung bezwang das Team im Rahmen der Vorbereitung sogar den seit gestern als DM-Finalteilnehmer feststehenden Tabellenführer Rot-Weiß Köln. Ob es am Ende vielleicht auch für den Titel reicht? Mit insgesamt fünf A- und sechs Jugendnationalspielerinnen habe seine Mannschaft schon das Potenzial für die deutsche Spitze, denkt Keller. Doch: „Ich glaube nicht, dass man sagen kann, dass wir mit dieser Mannschaft einen Titel holen müssen. Wir müssen einfach gutes Hockey spielen.“ Aber da die Meisterschaft in nur einem einzigen Spiel entschieden wird, ist für den BHC noch eine Überraschung drin – vorausgesetzt, der zweite Tabellenplatz wird verteidigt.

Sollten die BHC-Damen am 22. Mai tatsächlich gegen den Ligaprimus Köln um die Meisterschaft spielen, wird in Hockeykreisen gemutmaßt, dass Andreas Keller sein Engagement auch über die laufende Spielzeit hinaus verlängert. MARTIN GROPP