: Polens neuer Mann für heikle Missionen
Der Wirtschaftsprofessor und ehemalige Finanzminister Marek Belka soll neuer Regierungschef werden
Marek Belka (52) gilt als Feuerwehrmann für heikle Missionen. Vor knapp einem Jahr erst brach der polnische Wirtschaftsprofessor und frühere Finanzminister Polens nach Bagdad auf, um mit US-Zivilverwalter Paul Bremer den Wiederaufbau und die Wirtschaftshilfe für den Irak zu koordinieren. Nun soll er die Regierungsgeschäfte Polens übernehmen – zumindest bis zu den vorgezogenen Parlamentswahlen im nächsten Frühjahr.
Schon vor knapp zwei Monaten, als Ministerpräsident Leszek Miller seinen Rücktritt ankündigte, hatte Präsident Aleksander Kwaśniewski den parteilosen Belka zu seinem Favoriten ernannt. Belka sei sowohl „politisch genug“, so Kwaśniewski, als auch „unpolitisch genug“, um die Nachfolge Millers anzutreten und nicht gleich wieder in politische Grabenkämpfe verwickelt zu werden. Miller war mit seinem für den 2. Mai angekündigten Rücktritt – einen Tag nach dem EU-Beitritt Polens – einem Misstrauensvotum aus den eigenen Reihen zuvorgekommen.
Marek Belka gilt als kompetent und moralisch integer. Doch er wird von vielen Abgeordneten des Bündnisses der demokratischen Linken (SLD) nur mit zusammengebissenen Zähnen akzeptiert. Zu gut erinnern sie sich an seine Zeit als Finanzminister unter Miller von Oktober 2001 bis Juli 2002. Als er damals seinen Sparkurs nicht durchsetzen konnte, warf er nach nur neun Monaten das Handtuch. „Ich bin ausgebrannt“, erklärte er.
Doch sein Rücktritt warf ein schlechtes Licht auf die SLD. Deren Politik hieß „Schulden machen“. Nach dem Rücktritt Belkas sank der Zlotykurs und auch die Warschauer Börse erlebte ihren schwarzen Tag. Die Haushaltssanierung ist Belkas Nachfolgern bis heute nicht gelungen.
Begonnen hat der Wirtschaftsprofessor aus Lodz seine politische Karriere Anfang der 90er-Jahre als Berater des Finanz- und Privatisierungsministeriums in Warschau. Nach einem kurzen Zwischenspiel bei der Weltbank wurde der zweifache Vater 1997 Finanzminister im Kabinett des heutigen Außenministers Włodzimierz Cimoszewicz. Nach der Niederlage der SLD bei den Parlamentswahlen 1997 holte ihn Präsident Kwaśniewski als wirtschaftspolitischen Chefberater in seine Kanzlei. Im Herbst 2001, nach dem erneuten Wahlsieg der SLD, wechselte Belka wieder auf die Regierungsbank, wurde wiederum Finanzminister, gab aber nach nur neun Monaten auf.
Premier Miller, so heißt es, sei einer der Hauptgegner der Sparpläne Belkas gewesen. Nun soll der passionierte Hutsammler eine „Technokratenregierung“ führen, die sich auf wechselnde Mehrheiten im Abgeordnetenhaus stützen muss. Nachdem es so aussah, als würde das Unternehmen scheitern, bevor es richtig begonnen hatte, werden Belka nun wieder Erfolgschancen eingeräumt. In zwei Wochen muss er sich mit Kabinett und Regierungsprogramm einer Vertrauensabstimmung stellen. Erst wenn die Abgeordneten mit Ja stimmen, wird Belka neuer Premier Polens. GABRIELE LESSER