: Kölner Autofahrer werden ausgebremst
Die Stadt Köln richtet wieder mehr Tempo-30-Zonen ein. Viel zu wenige, kritisiert der VCD. Nach 14 Jahren seien von ursprünglich 450 geplanten Zonen gerade 253 realisiert. Bei den Bürgern sind die verkehrsberuhigten Straßen beliebt
VON THOMAS SPOLERT
Überraschend viel Gas gibt derzeit die Stadt, um die Autofahrer in Köln zu bremsen. Ob in Weiden, in Worringen oder in Sülz: Derzeit vergeht kaum eine Woche, in der nicht eine neue Tempo-30-Zone eingerichtet wird. „Im letzten Jahr gab es eine lange Haushaltssperre“, erklärt Angela Stolte-Neumann vom Amt für Straßen und Verkehrstechnik die plötzliche Aktivität der Stadt. Dadurch seien die Vorbereitungen für einige geplante Tempo-30-Zonen schon abgeschlossen und bräuchten jetzt nur noch umgesetzt zu werden. Bis zum Sommer will das Amt noch in Dünnwald, in Ensen-Ost und in Zollstock-Süd verkehrsberuhigte Zonen einrichten.
„Nur in Gebieten mit überwiegender Wohnfunktion wird Tempo 30 eingeführt“, erklärt Stolte-Neumann die Auswahlkriterien. Außerdem suche man nach sinnvollen städtebaulichen Grenzen. Dazu zählen Grünanlagen und Hauptverkehrsstraßen. Mit Verkehrszählungen wird der Durchgangsverkehr gemessen. Weitere Untersuchungen folgen, um festzulegen, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um eine neue Zone einzurichten. Abhängig davon, ob nur Schilder aufgestellt oder auch die Straße baulich verengt wird, kostet eine Tempo-30-Zone je nach Größe zwischen 2.000 und 20.000 Euro.
20 neue Zonen
Die viel kritisierten Aufpflasterungen, die in alten Tempo-30-Zonen wie Nippes die Autofahrer stöhnen lassen, werden nicht mehr gebaut. „Das ist zu teuer“, begründet Stolte-Neumann den Wegfall dieses baulichen Relikts aus den 90er Jahren. „Uns stehen pro Jahr 100.000 Euro zur Verfügung“, so die Planungschefin vom Amt für Straßen und Verkehrstechnik. Dafür sollen in diesem Jahr bis zu 20 neue verkehrsberuhigte Zonen im Kölner Stadtgebiet verwirklicht werden.
Dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) geht das alles viel zu langsam. „Die Tempo-30-Zonen werden von der Stadt im Schneckentempo umgesetzt“, kritisiert Roland Schüler vom Vorstand des Kölner VCD. Tatsächlich hatte der Rat bereits im Januar 1990 den Grundsatzbeschluss gefasst, in allen Kölner Gebieten mit überwiegender Wohnfunktion Tempo 30 flächendeckend einzuführen. Nach 14 Jahren sind von den geplanten 450 Zonen gerade einmal 253 realisiert. Dabei hatte die Stadt noch im Jahre 2000 versprochen, „in einem Zeitraum von maximal fünf Jahren“ alle Tempo-30-Zonen einzurichten. „Es ist unbegreiflich, wieso eine solch wichtige verkehrspolitische Aufgabe in der Verwaltung nur mit einer halben Stelle besetzt wird“, legt Roland Schüler den Finger in die Wunde der städtischen Verkehrspolitik.
Auch die Definition der Tempo-30-Zonen geht dem VCD nicht weit genug. „Das ist Zönchen-Flickerei“, bemängelt Schüler die seiner Meinung nach viel zu kleinen Zonen. Die Stadt müsse den Mut haben, auch größere Straßen, wie zum Beispiel die Niehler Straße, mit einzubeziehen. Schließlich hätten auch deren Bewohnerinnen und Bewohner ein Recht auf weniger Verkehrslärm und größere Verkehrssicherheit durch eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 Stundenkilometer.
Tatsächlich sind in den von der Stadt untersuchten Tempo-30-Zonen die Unfallzahlen um 8 Prozent zurückgegangen. Die Zahl der Unfälle mit Fußgängern sank sogar um 15 Prozent, die durchschnittliche Geschwindigkeit um acht Stundenkilometer. Auch habe die Lärmbelästigung hörbar abgenommen, berichtet die Stadt.
„Unechte“ Einbahnstraße
„Die Bürger sind offen für die Tempo-30-Zonen“, weiß Stolte-Neumann. Kritik gäbe es nicht. Im Gegenteil wollten die Bürger mehr solche Zonen in der Stadt. Neben den mit Zahlen belegbaren positiven verkehrspolitischen Effekten interessiere die Bewohner vor allem auch das Thema „unechte“ Einbahnstraße. Fahrradfahrer können ganz offiziell entgegen der Einbahnstraße fahren und so schneller zum Ziel kommen. In den neuen Tempo-30-Zonen wird diese Möglichkeit für Radfahrer automatisch eingeführt, soweit das Verkehrsaufkommen und die Straßenbreite dies zulassen. In den alten Tempo-30-Zonen muss die Stadt erst noch prüfen, welche „unechten“ Einbahnstraßen eingeführt werden. Bis dahin warten die Radfahrer häufig nicht – sie schaffen schon heute Fakten und nutzen viele Einbahnstraßen in die Gegenrichtung.