: Der Schuldturm-Vergleich
Der Senat sucht verzweifelt nach Einsparmöglichkeiten. Gewerkschaften fordern stattdessenmehr Geld vom Bund. Denn Hamburg, so ein Gutachten, gebe auch nicht mehr Geld aus als Berlin
von STEFAN ALBERTI
Konkrete Zahlen mochte der Regierende Bürgermeister nicht nennen, weil die Beratungen noch andauerten. Doch als Klaus Wowereit (SPD) gestern Abend aus der Haushaltsklausur des Senats trat, schien sich anzudeuten, dass die angepeilte Sparsumme von 1,5 bis 2 Milliarden Euro im Dopppelhaushalt 2004/2005 nicht erreicht wird. Zwar sprach Wowereit von „erklecklichen Summen“, die zu dem zuvor schon erreichten Betrag – angeblich 800 Millionen Euro – gekomen seien. Er schränkte aber zuvor ein: „Es hat keinen Sinn, dass wir Beschlüsse fassen, die wieder eingeholt werden.“
Zu den umstrittenen Kürzungsvorschlägen von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) bei der Sozialhilfe sagte Wowereit, hier sei man „ziemlich weit gekommen“. 1,5 bis 2 Milliarden Euro einzusparen, betonte auch Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS), bleibe erklärtes Ziel des Senats. Dann fügte er aber hinzu: „Die Frage ist ja, in welchem Zeitraum.“
Das Warten auf erste Statements aus den Senatsklausur nutzen unterdessen die Gewerkschaftschefs: Sie prangerten erneut den Kurs des Senats, der sich auf Ausgabenkürzung konzentriert, als falschen Weg an. Obendrein forderte die PDS-Fraktion, die Lottostiftung, die viele soziale und kulturelle Projekte fördert, aufzulösen und ihre Mittel ab 2004 direkt in den Haushalt fließen zu lassen. „So kann das Parlament abwägen, ob etwa ein Pinguingehege für eine Million gebaut oder ein anderes, für die Stadt wichtiges Projekt finanziert wird“, sagte Sprecherin Kathi Seefeld.
Bei der Stiftung geht es um zusätzliche Haushaltsmittel von rund 40 Millionen. Grundsätzlicher und milliardenschwer wurden die Gewerkschaften Ver.di, Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Polizei (GdP) und Bauen Agrar Umwelt (IG BAU). Nach ihrer Ansicht soll Berlin, derzeit mit fast 50 Milliarden verschuldet, weniger seine Ausgaben kürzen, sondern seine Einnahmen erhöhen. Genau die gegenteilige Auffassung vertritt Finanzsenator Sarrazin.
Eine deutliche Besserversorgung Berlins gegenüber Hamburg, auf die der Senator gebetsmühlenartig verweist, können die Gewerkschaften nicht erkennen: Ziehe man vereinigungsbedingte Sonderausgaben und Hauptstadtkosten ab, liege Berlin etwa auf Hamburger Niveau. „Berlin ist nicht überausgestattet, und den Berlinern geht es im Bundesvergleich eben nicht zu gut“, heißt es in einem Gutachten im Auftrag von Ver.di, GEW, GdP und IG BAU zur Haushaltslage. In der Finanzverwaltung hält man die Rechnung des Gutachtens für unlogisch: „Berlin hat natürlich Ausstattungsvorsprünge, das kann man nicht rausrechnen“, sagte Sprecher Claus Guggenberger. „Die Belastungen sind da, und wir müssen sie bezahlen.“
Die Gewerkschaften setzen für höhere Einnahmen auf den Bund: GEW-Chef Ulrich Thöne sah „eklatante Versäumnisse“ aus der Zeit des Einigungsvertrags, als die Bundesmittel für Berlin gekürzt wurden. Als Geldquelle nannte Thöne die Vermögenssteuer. „Wir sind der Ansicht, dass die Berliner Finanzpolitik einer gründlichen Revision unterzogen werden muss“, sagte Ver.di-Landeschefin Susanne Stumpenhusen. Es sei zwar allen klar, dass Berlin nicht einfach die Hand aufhalten könne, sondern auch eigene Anstrengungen unternehmen müsse. Die aber müssten alle belasten – nicht nur den öffentlichen Dienst und die Sozialhilfeempfänger.
Die Gewerkschafter fordern daher eine „Konsolidierungskonferenz aller gesellschaftlichen Gruppen“. Daran sollen sich neben IHK, Unternehmensverbänden und Handwerkskammer auch Banken und Fondsgewinnler beteiligen. Was die dazu bringen soll, sich mit an den Tisch zu setzen und auch Opfer zu bringen, konnten die Gewerkschafter nicht sagen. Für GdP-Landeschef Eberhard Schönberg ist das kein Argument gegen die Konferenz: „Ich kann nichts erreichen, wenn ich es erst gar nicht versuche.“