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Archiv-Artikel

Adolf Merckle nimmt sich das Leben

Pharma-Milliardär schmeißt sich vor Zug. Familie: Firmennotlage hat ihn „gebrochen“

ULM ap/taz ■ Der in Finanznot geratene schwäbische Pharma-Milliardär Adolf Merckle hat sich das Leben genommen. Der 74-Jährige warf sich am Montagabend in der Nähe seines Heimatortes Blaubeuren-Weiler bei Ulm vor einen Zug und war auf der Stelle tot. Er hinterließ einen Abschiedsbrief.

Die Familie bestätigte den Freitod am Dienstag. Sie veröffentlichte ein Schreiben, in dem es hieß: „Die durch die Finanzkrise verursachte wirtschaftliche Notlage seiner Firmen und die damit verbundenen Unsicherheiten der letzten Wochen sowie die Ohnmacht, nicht mehr handeln zu können, haben den leidenschaftlichen Familienunternehmer gebrochen.“

Merckle war im Rahmen der Finanzkrise in Bedrängnis geraten. Einen wesentlichen Teil dazu beigetragen hatten seine Spekulationen mit VW-Aktien. Im Oktober und November hatte er Put-Optionen in großem Stil gekauft, weil er erwartete, dass der VW-Kurs fallen würde, wenn Porsche eines Tages bekannt geben würde, dass ausreichend VW-Aktien gekauft worden seien. Das Gegenteil trat ein. Der Kurs der Volkswagen-Aktie stieg auf Werte, die mit dem operativen Geschäft nichts zu tun hatten, sondern allein durch solche Spekulationen entstanden. Zeitweise kostete ein VW-Papier mehr als 1.000 Euro. Insgesamt soll Merckle dabei mindestens eine Milliarde Euro verzockt haben. Kenner der Familie gingen davon aus, dass die Spekulation Merckles eigene Idee gewesen war. Schließlich hatte er sein ganzes Vermögen, das seine Familie zu einer der reichsten in Deutschland machte, durch zum Teil sehr waghalsige Transaktionen erworben. Allerdings gibt es auch Gerüchte, dass die Landesbank Baden-Württemberg den Merckles zu solchen Optionsgeschäften geraten habe.

Zum Firmengeflecht der Merckles gehören verschiedene Unternehmen. Darunter der Baustoffhändler HeidelbergCement, der Generikahersteller Ratiopharm, der Pharmagroßhändler Phoenix und der Spezialfahrzeughersteller Kässbohrer. Allein bei Ratiopharm, HeidelbergCement und Phoenix sind etwa 100.000 Mitarbeiter beschäftigt. Sie erwirtschaften jährlich insgesamt 30 Milliarden Euro Umsatz. Im operativen Geschäft der Firmen mischt aus dem Merckle-Clan allerdings niemand mit.

Die letzten Monate hatte Merckle damit verbracht, die Folgen seiner Fehlspekulation und der Krise einzudämmen. Dazu griff er auch auf sein Privatvermögen zurück. Ende Dezember hatte Merckle mit den Banken eine Stillhaltevereinbarung erzielt. In einem nächsten Schritt sollten die Verhandlungen über einen Überbrückungskredit zu Ende geführt werden.