: 35.000 mit leeren Taschen
Trotz Frühling weniger Jobs. Langzeitarbeitslose ohne Chance – und ab Januar auch ohne Geld. Arbeitssenator Wolf: Jedem Dritten droht komplette Streichung durch Reform der Arbeitslosenhilfe
VON THORSTEN DENKLER
Die Zahl der Arbeitslosen in Berlin ist im vergangenen Monat entgegen dem Bundestrend erneut leicht gestiegen. Nach Ansicht von Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) litten vor allem Langzeitarbeitslose unter dem Mangel an offenen Stellen. Dazu zählt, wer seit mehr als einem Jahr ohne Beschäftigung ist. Und ab Januar 2005 könnte es für diese Gruppe noch schwieriger werden. Rund ein Drittel der heutigen Arbeitslosenhilfebezieher werde überhaupt keine Unterstützung mehr bekommen, weil dann Partnereinkommen und Ersparnisse angerechnet werden, sagte Wolf. Das betreffe schätzungsweise 30.000 bis 40.000 Menschen.
Der Wirtschaftssenator nannte damit erstmals Zahlen, für wie viele Berliner die geplante Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe radikale Konsequenzen hätte. Zusammen mit arbeitsfähigen Sozialhilfeempfängern und deren Angehörigen würden derzeit rund 380.000 Menschen unter das künftige Arbeitslosengeld II (ALG II) fallen.
Das steuerfinanzierte ALG II bekommen all jene, die heute Arbeitslosen- oder Sozialhilfe erhalten und arbeitsfähig sind, also mehr als drei Stunden pro Woche arbeiten können. Die Höhe der Hilfe entspricht dem Sozialhilfesatz. ALG-II-Bezieher können dafür mehr als bisher hinzuverdienen, ohne dass das Einkommen auf die Hilfebezüge angerechnet wird.
Noch ist das ALG II nicht beschlossen. Auf Bundesebene streiten sich Union und Bundesregierung noch darüber, wie das mit der Zusammenlegung eingesparte Geld verteilt werden soll. Wolf warnte davor, dies auf dem Rücken der Arbeitslosen auszutragen.
Sollte das ALG II nicht in Kraft treten, werden aus dem Hartz-IV-Gesetz der Bundesregierung zunächst nur jene Teile umgesetzt, die zu Kürzungen führen. Für Sibyll Klotz, Fraktionschefin der Grünen im Abgeordnetenhaus, ist das nicht aktzeptabel. Dann werde es weiterhin mehrere statt einer Anlaufstelle sowie eine zersplitterte Beratung geben. Förderangebote und Fallmanager würden weiterhin fehlen.
Viele Kommunen fordern dennoch, die Regelung wegen technischer Schwierigkeiten um ein Jahr zu verschieben. Wolf: „Noch fehlen wichtige Instrumente wie etwa eine funktionsfähige Software für die gemeinsame Datenverabeitung.“
In Berlin fehlen derzeit aber vor allem die Jobs. In absoluten Zahlen waren im April 740 Menschen mehr ohne Job als im März. Die Quote verharrte bei 18,2 Prozent. In Brandenburg hingegen sank die Quote um 0,4 Prozentpunkte auf 19,2 Prozent. Auf Bundesebene konnten die Zahlen die Erwartungen ebensowenig erfüllen. Die Quote ging nur leicht um 0,2 Prozentpunkte auf 10,7 Prozent zurück. Allerdings gelten seit 1. Januar Teilnehmer von Qualifizierungsangeboten nicht mehr als arbeitslos. Wären diese in der Statistik noch präsent, wäre die Zahl in Berlin und im Bund um einiges höher, sagte ein Sprecher der Arbeitsagentur Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der taz.
Für Michael Dietmann, Arbeitsmarkexperte der CDU, sind die Zahlen eine „Bankrotterklärung des rot-roten Senats“. Arbeitslosigkeit werde in Berlin nur verwaltet. Die Frühjahrsbelebung „hat um die Hauptstadt einen Bogen gemacht“, sagte Klotz. Sie kritisierte, dass sowohl das Land als auch die Regionaldirektion ihre aktive Arbeitsmarktpolitik „heruntergefahren“ hätten.
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