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Archiv-Artikel

Palast der Winde

Für ihre Homestory über Fidel Castro war die „FAS“ nie auf Kuba. Und ein Postkartenmotiv wird „Geheimpalast“

Hat nach Tom Kummer und Martin Born jetzt auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) ihren „Fall Maak“?

Wie das Schweizer Magazin Facts in seiner gestrigen Ausgabe berichtet, schrieb der Feuilleton-Redakteur Niklas Maak in der FAS bereits im vergangenen November einen Exklusivbericht für sein Blatt über „Fidel Castros privaten Palast“. Den ganzseitigen Artikel zierten Fotos der New Yorker Fotografin Taryn Simon, die laut Maak Innenaufnahmen aus dem „geheimsten Palast von Havanna“ zeigten, in dem „niemand fotografieren darf“.

Autor Maak, Doktor der Archäologie, deutet aus rund 8.000 Kilometer Entfernung die Architektur als „Revolutionsästhetik“, hält „Castros Modernismus“ für ein zu Stein gewordenes Symbol des „politischen Aufbruchs“. Dabei wurde der angebliche Privatpalast, in dem sich heute der Staatsrat befindet und in dem Castro fast alle ausländischen Staatsgäste empfängt, schon vor Castros Machtübernahme unter dem Diktator Batista errichtet.

„Spinnt jetzt der?“

Seinen Wohnsitz hat Castro an einem anderen, wirklich streng geheim gehaltenen Ort. Fotos aus dem Inneren des Regierungsgebäudes gibt es zuhauf. So hat der seit 15 Jahren in Havanna lebende deutsche Fotograf Sven Creutzmann (Agentur Zeitenspiegel) ein gut gefülltes Archiv, das Castro in seinem „Geheimpalast“ zeigt. Und laut Facts hat sich der Castro-Biograf Volker Skierka nach der Lektüre des FAS-Artikels gefragt: „Spinnt jetzt der oder spinne ich?“ Der FAS-Feuilletonist sei möglicherweise „dem Charme der Fotografin erlegen“, rätselt nun das Schweizer Magazin. Oder aber das letzte Glas Rum, das die Fotografin in der Nacht mit Castro leerte, sei zu viel gewesen.

„Als erste Fotografin durfte Tary Simon in Fidel Castros Palast kommen“, hatte die FAS getitelt und Autor Niklas Maak klingt ein wenig geknickt, wenn er sagt: „Diese Unterzeile war so nicht richtig.“ Ansonsten aber hält er gegenüber der taz jeden Vergleich mit den „virtuellen Reportagen“ der letzten Zeit für „völlig überzogen“. Ihm sei es darum gegangen, „ästhetisch beeindruckende Fotos zu interpretieren, auf denen Fidel Castro zu sehen war, wie man ihn nicht kennt“. Maak gibt aber unumwunden zu, nie selbst in Kuba gewesen zu sein. Für Facts ein klarer Fall: Autor Norbert Thomma, hauptberuflich Reporter beim Tagesspiegel, fordert für Zeitungstexte eine „Kennzeichnungspflicht wie bei Hühnereiern“, um den Lesern zu signalisieren, was wahr ist und was nicht.

PHILIPP MAUSSHARDT