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Archiv-Artikel

„Auch uns erreichen viele Mails“

Hamburger Elternkammer nennt Bedingungen für die Primarschule. Wichtig sei höheres Kompetenzniveau der Schüler. Kammer-Vize Peter Albrecht ist sicher, dass die Reform kommt

INTERVIEW KAIJA KUTTER

taz: Herr Albrecht, die von schwarz-grün geplante Primarschule steht in der öffentlichen Kritik. Erstmals meldet sich jetzt die Elternkammer mit einer Stellungnahme zu Wort. Endlich Rückenwind für die Schulsenatorin?

Peter Albrecht: Studien besagen, dass es beim Übergang von der Grundschule zu den weiterführenden Schulen zu einem Bruch in der Kompetenzentwicklung der Schüler kommt. Deshalb unterstützen wir alle Maßnahmen, die diesen Bruch mildern. Wir erwarten, dass mehr Kinder das gymnasiale Kompetenzniveau erreichen.

Also ist die Primarschule ein Schritt in die richtige Richtig?

So formulieren wir es nicht. Die Positionen in der Kammer sind differenziert. Eigentlich wollen wir die Schule für alle. Es gibt eine Gruppe, die sagt, unter den gegenwärtigen Bedingungen ist dies beim bürgerlichen Lager nicht durchzusetzen. Da ist die sechsjährige Primarschule ein guter Kompromiss. Andere von uns sehen die Gefahr, dass durch diesen Schritt die Schule für alle gar nicht mehr erreicht werden kann. Deshalb schreiben wir in der Stellungnahme bewusst nicht vom ‚richtigen Schritt‘.

Aber Sie unterstützen die konkreten Pläne der Senatorin?

Richtig. Wir unterstützen das Maßnahmenpaket, das jetzt geplant ist. Dazu gehört die Individualisierung des Unterrichts und die Fortbildungsoffensive. Ob die Primarschule ein Erfolg wird, prognostizieren wir nicht.

Sie stellen eine Reihe von Gelingensbedingungen auf. Was ist ihre größte Sorge?

Dass es mit der Individualisierung des Unterrichts nicht klappt. Dass die Lehrer nicht in der Lage sind, diese neuen, hohen Erwartungen zu erfüllen. Damit steht und fällt die Reform.

Aber es wurde doch eine Fortbildungsoffensive gestartet.

Stimmt. Aber die kann nur wirksam werden, wenn nicht nur einzelne Lehrer, sondern ganze Kollegien einbezogen werden.

Um was sorgen Sie sich noch?

Ganz wichtig ist das Prognoseverfahren für den Übergang in die 7. Klasse.

Sie schreiben, maßgebend dürfe nicht die Frage sein, ob der Schüler das Abitur nach zwölf Jahren schafft, sondern nur, ob er die 7. Klasse schafft. Was meinen Sie damit?

Die Prognosen, auch nach sechs Jahren Schule, sind so unsicher, dass man vor längerfristigen Festlegungen scheuen sollte.

Es gab Pläne, die Hürde fürs Gymnasium zu erhöhen.

Das lehnen wir ab. Die bisherigen Kriterien für den Übergang von der 6. zur 7. Klasse sollten beibehalten werden. Wichtig ist auch, dass alle Primarschulen ein vergleichbares Bildungsangebot haben und es keine Schulen erster und zweiter Klasse gibt. Das gilt zum Beispiel für die zweite Fremdsprache. Im Zweifel müssten die weiterführenden Schulen dann eben, wie früher, Latein erst ab Klasse 7 anbieten.

Das dürfte Eltern der humanistischen Gymnasien nicht gefallen. Spricht die Elternkammer für alle Eltern?

Ja. Wir sind die demokratisch gewählte Interessenvertretung der 180.000 Hamburger Eltern.

Man liest viel von stark verunsicherten Eltern, vor allem aus dem Gynmasialbereich.

Uns erreichen auch viele Mails von verunsicherten Eltern. Und es gibt eine gezielte Mobilisierung in konservativen Kreisen für die nächste Kammerwahl im Herbst. Es gibt aber auch viele Eltern, vor allem die jüngeren an den Grundschulen, die die Reform sehr begrüßen. Nur suchen die nicht die Öffentlichkeit.

Die CDU ist unter Druck geraten. Seit die Volksinitiative „Wir wollen lernen“ mit Parteigründung drohte, hört man immer mal wieder etwas von geplanten Abstrichen an der Reform. Was ist ihre Prognose: Wird die Primarschule kommen?

Da bin ich mir ziemlich sicher. Alle, die in der Partei etwas zu sagen haben, einschließlich des Bürgermeisters, haben sich deutlich positiv geäußert. Und die 22 regionalen Schulentwicklungskonferenzen arbeiten überwiegend konstruktiv und werden bald ihre Empfehlungen für die Standorte abgeben. Ich glaube, wenn dann auch noch die angekündigten inhaltlichen Papiere zur Reform erscheinen, wird sich die Lage beruhigen.

Fotohinweis:PETER ALBRECHT, 39, ist Vize-Vorsitzender der Elternkammer, Korrespondent und Vater von zwei Grundschulkindern.