: „Do-it-yourself“-Bildung in der Zionsgemeinde
Der Pastor Hans-Günther Sanders gründete in der Neustadt eine Basisschule für Musik, Sprachen und EDV-Kenntnisse. Wichtig ist, „dass hier Bildung mal nichts kostet“
Viel Grund zur Freude hat man als Bremer Bildungssenator dieser Tage eigentlich nicht. Bei der Eröffnung der Lerninititiative in der Zionsgemeinde hatte Willi Lemke (SPD) aber ausnahmsweise was zu grinsen. „Es freut sie zu hören,“ interpretierte Ortsamtleiter Klaus Peter Fischer die gute Laune: „dass hier Bildung mal nichts kostet.“
Pastor Sanders hatte das Projekt mit seinem Gemeindemitgliedern initiert, „um Menschen Weiterbildungschancen zu ermöglichen, die sich aus finanziellen Gründen nicht an öffentliche Stellen wenden können oder es aus Schüchternheit nicht wollen.“An fünf PCs im Kellerraum des Gemeindezentrums können demnächst Obdachlose EDV-Kenntnisse erwerben, Mädchen Briefpapier entwerfen und ältere Frauen ohne ungeduldiges Machogebrumme im Rücken die digitale Welten erforschen. Nebenan im Musikraum gibt es Schlagzeug-, Geige-, Klavier-, Gesangs- und Gitarrenunterricht, ein Stockwerk höher trifft sich regelmäßig eine Gruppe Immigranten im Alter zwischen 20 und 30, um Deutsch zu lernen. Das Ortsamt stiftete ein gebrauchtes Klavier, Lemke will Geld für Lehrbücher sammeln gehen.
Das Konzept ist unkonventionell. So, wie alles ein bisschen unkonventionell ist, in der Zionsgmeinde. Dort stehen die Türen den ganzen Tag offen, und fehlt mal ein Kerzenständer, wird bloß mit den Schultern gezuckt. Ein Bodybuilder predigt beim Gewichte stemmen mit Jugendlichen seinen Glauben und neuerdings sollen nun 14 Gemeindemitglieder aus vier verschiedenen Kontinenten andere Gemeindemitglieder in Musik, Sprachen und Computerprogrammen unterrichten. Und das größtenteils ohne Lehrbefähigung und kostenlos - „als christliche Geschwister,“ sagt Patrick Ubesseh, der für die Deutschkurse des Programms verantwortlich ist, die schon im Januar anliefen.
„Es gibt so viele Menschen mit Fähigkeiten, die niemals herausgekitzelt werden. Oder aber im Alltagsstress verdörren. Wir wollen gemeinsam von diesen Fähigkeiten profitieren,“ beschreibt Pastor Sanders die Idee hinter dem Projekt. Er castet schon seit Jahren Talente. Alla Schmarjin zum Beispiel. Die Russin hatte sich vor Jahren bei der Gemeinde als Putzfrau beworben, mittlerweile gibt sie Musik-Unterricht. In diesem Fall mit Lehrbefähigung. Denn Frau Schmaerjin arbeitete in Kiew als Musikprofessorin, bevor sie vor zwölf Jahren nach Deutschland kam. Sie hatte sich bereits damit abgefunden, nie mehr in ihrem Beruf tätig zu sein und Klos zu putzen, als sie den Pastor traf und der sie ins Boot für die Basisschule holte: „Eine Neugeburt,“ sagt sie.
Sanders Konzept ist unkoventionell. Und funktioniert. „An die 50 Schüler haben sich bereits angemeldet“, freut er sich – „und das, obwohl bisher nicht einmal die Werbung richtig angelaufen ist.“
Dorothea Ahlemeyer