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Archiv-Artikel

Giganten-Eintracht

Haim Saban schwieg auf der Hauptversammlung der ProSiebenSat.1 AG und ließ lieber Springer-Chef Mathias Döpfner reden – das sagt genug

AUS MÜNCHEN JÖRG SCHALLENBERG

Zack! Wumm! Peng! Schluchz! Mit einem bunten, rasant geschnittenen Werbefilmchen aus den eigenen Programm-Highlights zwischen Schmacht und Action stimmte die ProSiebenSat.1-AG gestern Vormittag ihre Aktionäre auf die Hauptversammlung ein. Am Ende flimmert das Motto der Fernsehgruppe über den Bildschirm: „Alles, was Menschen bewegt“.

Das müsste Haim Saban gefallen haben, der den Film vom Podium aus ganz entspannt verfolgte. Der US-Milliardär, der im vergangenen August die Mehrheit an ProSiebenSat.1 übernahm, hat seitdem so einiges bewegt, vor allem Menschen. Zuletzt mussten der Vorstandsvorsitzende Urs Rohner und Pro 7-Geschäftsführer Nicolas Paalzow gehen, das für Medienpolitik zuständige Vorstandsmitglied Jürgen Doetz folgt im Herbst 2004. Zack! Wumm! Peng! Schluchz!

Das Wechselspiel im Management soll damit abgeschlossen sein, verkündete Saban in den vergangenen Tagen immer wieder, was man durchaus so interpretieren darf, dass er die Sendergruppe nun an allen entscheidenden Stellen unter seine Kontrolle gebracht hat. Für die Aktionäre hat sich der Wechsel erst mal gelohnt: Die ProSiebenSat.1-Aktie stieg im Laufe des Geschäftsjahres 2003 von 6,40 Euro auf 12,85 Euro, im Moment liegt sie gar bei 16,00 Euro. Der Börsenkurs spiegelt die positiven Zahlen wider, die Deutschlands zweitgrößte Fernsehgruppe – nach RTL – verkünden konnte. Um sagenhafte 171 Prozent hat man den Gewinn von 21 auf 57 Millionen Euro gesteigert – bei einem Umsatzrückgang von 1,9 auf 1,8 Milliarden Euro. Dank eines rigorosen Sparprogramms macht neben Pro 7 und Kabel 1 inzwischen auch Sat.1 Gewinn (5 Millionen Euro), und der Nachrichtenkanal N 24 konnte seinen Verlust halbieren.

Der neue Vorstandsvorsitzende Guillaume de Posch gab als Ziel selbstbewusst vor, den bisherigen Marktführer RTL auf allen Gebieten zu überrunden. Das scheint nicht einmal utopisch, Haim Saban feixte im Spiegel bereits, der Kauf von ProSiebenSat.1 zum Schnäppchenpreis von einer Milliarde Euro sei ein „no brainer“ gewesen – ein Geschäft, über das man nicht einmal nachdenken müsste. Er dankte allen „deutschen Milliardären und Medienkonzernen“, die diese Chance verpasst hätten. So viel unverhohlene Freude erweckt allerdings Misstrauen. Die Süddeutsche Zeitung berichtete bereits von Plänen, N 24 und Sat.1 nach einer erfolgreichen Sanierung einzeln zu verkaufen, etwa an den Disney-Konzern oder an NBC. Die Kleinaktionäre, die insgesamt 37,5 Prozent der Anteile halten, könnten dabei nur zusehen – sie besitzen fast ausschließlich Vorzugsaktien ohne Stimmrechte.

Haim Saban sagte selbst überhaupt nichts, für ihn wies Guillaume de Posch alle Vorwürfe über schnelle Geschäftemacherei zurück. Auf die Leitung der Hauptversammlung hatte Saban, der auch als Aufsichtsratsvorsitzender fungiert, wegen mangelnder Deutschkenntnisse verzichten müssen – stattdessen bestimmte er Mathias Döpfner, den Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer AG, für diese Aufgabe. Springer hält rund 10 Prozent an ProSiebenSat.1, Döpfner ist zugleich das dienstälteste Aufsichtsratsmitglied der Fernsehgruppe. Trotzdem überraschte Sabans Entscheidung, die offensichtlich ein neues, herzlicheres Verhältnis zwischen beiden Mediengiganten signalisiert. Friede Springer hätte den früheren ProSiebenSat.1-Besitzer Leo Kirch jedenfalls kaum jemals die Hauptversammlung der Axel Springer AG leiten lassen, obwohl er dort beteiligt war.