: Wenn das Herzblut obsiegt
Jupp Heynckes verliert mit Schalke gegen Gladbach und fühlt sich doch als Sieger: Die Borussia bleibt eine „Herzensangelegenheit“ des Ex-Fohlen bei seinem vermutlich letzten Auftritt auf dem Bökelberg
AUS GLADBACH DANIEL THEWELEIT
Jupp Heynckes Worte stolzieren oft ein wenig steif daher. Gewohnt nüchtern analysierte der Fußballlehrer die Ursachen für die 2:0 Niederlage seiner Schalker bei Borussia Mönchengladbach: „Insgesamt von der Einstellung her, vom Spielerischen, vom Fußballerischen, von der Organisation kann ich meiner Mannschaft keinen Vorwurf machen. Wir haben es heute nur versäumt, Tore zu machen“ – und reihte er noch viele Formulierungen mit ähnlichem Klang hinzu. Irgendwann jedoch wurde er nach seinen Emotionen gefragt bei seinem wohl letzten Besuch am Gladbacher Bökelberg – die Borussia zieht in der kommenden Saison in ein neues Stadion. Heynckes entspannte sich genüsslich, sein Gesicht verlor an Röte, und seine Stimme wechselte vom Ton des Übungsleiters ins Plauderhafte.
Natürlich seien hier auf dem Weg zum Stadion, wo er seit 1991 als Trainer von Bayern München nicht mehr gewesen sei, Erinnerungen wach geworden: “Die Borussia ist für mich immer eine Herzensangelegenheit gewesen“, erklärte er und erzählte vom tollen „zwischenmenschlichen Zusammenhalt“, den es bei der Borussia der 70er Jahre gegeben habe, von der großen Chance die er hier zu Beginn seiner Trainerkarriere erhalten habe, bevor er am Ende sogar in „Wir-Form“ von seinem ehemaligen Klub zu sprechen begann: „Nächste Woche folgt das Spiel in Dortmund, dort haben wir immer gut ausgesehen, also wir, die Gladbacher“.
Holger Fach freute sich. „Jetzt ist es raus“, scherzte der junge Trainerkollege über die große Zuneigung seines Kontrahenten, der an diesem Nachmittag eben auch ein bisschen gewonnen hatte. Zumindest mit dem Herzen, das ein paar Stunden vor der großen 100-Jahr-Feier seiner Schalker für die Grün-Weißen vom Bökelberg schlug. Auch Heynckes fühlt also noch mit dem Klub vom Niederrhein, dessen Stärke im Abstiegskampf tatsächlich die Emotionen sind, die die Mannschaft aufs Spielfeld trägt.
„Es gibt in dieser ganzen Liga keine einzige Mannschaft, die ein größeres Herz hat als diese“, lobte Fach die Einstellung und die Haltung seines Teams, das bereits in der ersten Minute für ihr engagiertes Auftreten belohnt wurde. Markus Hausweiler gewann einen von Sven Vermant halbherzig angesetzten Zweikampf im Strafraum und schoss sein erstes Bundesligator seit fast fünf Jahren. „In den letzten Wochen war es regelmäßig genau umgekehrt, da lagen wir immer nach dem ersten Schuss des Gegners zurück“, meinte Bernd Korzynietz. Diesmal konnte man sich zurückziehen, die Räume für das schnell und technisch fein vorgetragene Schalker Kombinationsspiel eng machen und hatte kurz vor der Pause Glück, dass offenbar nicht nur Jupp Heynckes, sondern auch der Schiedsrichter ein Herz für die Borussia hat.
Ein zweifelhafter Elfmeter, den Vaclav Sverkos verwandelte, entschied das Spiel, dessen zweite Halbzeit ereignisarm und wenig sehenswert war. Fach sprach von einem Spielverlauf der „wie gemacht“ für die Borussia gewesen sei, und solcherlei Glück ist im Abstiegskampf sehr viel Wert.
„Wir sind immer die anständigen, und die verlieren dann meistens auch“, haderte dagegen Frank Rost mit der Entscheidung vor dem Elfmeter und fürchtet nun, im Sommer auf eine Woche Urlaub verzichten zu müssen. „Wir wollen Siebter werden, dann können wir eine Runde später in den UI-Cup einsteigen und haben länger frei“, gab er die Zielsetzung für die kommenden beiden Spiele vor.
Allerdings zeigen sich bei Schalke 04 immer deutlicher jene elementaren Fortschritte, die als Grundlage für eine erfolgreichere Saison 2004/2005 dienen sollen. Der Spielansatz ist vielversprechend, es wird schnell und geordnet aufgebaut, nur zwei Dinge fehlen dieser Schalker Mannschaft: die individuelle Klasse, aus ihrer spielerischen Überlegenheit die nötigen Tore zu erzielen und jene Qualität, die Borussia Mönchenglabach in dieser Endphase der Saison auszeichnet: „Wir können diese unglaubliche Moral, diesen unglaublichen Willen entgegensetzen, die diese Mannschaft hat“, meinte Fach. Jupp Heynckes nickte zufrieden, als er das hörte.