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Archiv-Artikel

„Man sollte nicht rechnen“

Hertha fegt Dortmund mit 6:2 vom Platz. Noch-Trainer Meyer mahnt: Wir müssen weiter gewinnen. Doch sein Nachfolger Falko Götz ist schon mal entzückt. Er darf wohl in der Bundesliga trainieren

VON MARKUS VÖLKER

Falko Götz hinterließ sein Entzücken per Kurznachricht auf dem Handy von Dieter Hoeneß. Die Botschaft habe so gewirkt, als sei der Absender freudig erregt über die Geschehnisse in Berlin, ließ der Manager von Hertha BSC wissen.

Götz ist Hertha-Trainer ab Juni. Seinen zweiten Anlauf als Coach der Berliner Ballzauberer will er nicht in der zweiten Liga nehmen. Aber bis zu seiner Inthronisierung muss der Mann aus der Vergangenheit ohnmächtig auf das Können von Hans Meyer vertrauen, des aktuellen Chefs, der für die Erstklassigkeit des Berliner Fußballs verantwortlich zeichnet. Meyer machte seine Sache am Samstag ganz im Götz’schen Sinne. Seine Elf schickte Borussia Dortmund mit 6:2 nach Hause, einer richtigen Packung, wie es unter Stollenträgern heißt.

Diese Packung könnte Götz zum Erstligatrainer gemacht haben. Aber so sicher ist das nicht. Denn die Konkurrenz um den Abstieg sammelte auch eifrig Punkte, weswegen der virtuelle Götz, also Meyer, nicht umhin konnte zu bemerken, dass es sich nur um einen Sieg gehandelt habe. Mehr nicht. „Man sollte nicht rechnen“, empfahl er hernach: „Sich jetzt den Kopf zu zerbrechen, ist total Asche.“ Zur Errechnung der Wahrscheinlichkeit eines Abstiegs verwies der Götzdiener auf die Rechenkünste eines Computers. Der solle seinetwegen alle nur erdenklichen Konstellationen ausspucken. Von ihm sei immer nur das Gleiche zu hören: Hertha muss gewinnen, gewinnen und – nochmals gewinnen.

Wie nun bereits dreimal in Serie. Ein Sieg beim TSV 1860 München am kommenden Samstag reicht, um dem feschen Götz nicht die Biografie zu verhunzen. Es passt sicher nicht zu seiner föhnfrisierten Attitüde, eine Elf für Matches in Aue oder Ahlen zusammenzustellen. Zu vermeiden ist die Konstellation: Hauptstadt meets Hinterwald.

Meyer wird’s schon richten für den Neuen, so ganz unter Ossis. Zu einem Gipfeltreffen zweier Generationen Ost kam es ja auch am Samstag im Olympiastadion. BVB-Trainer Matthias Sammer zählt eher zum Typus taktierender Aufsteiger. Meyer ist der ironische Autokrat, vor dem selbst ein Sammer die Hacken zusammenschlägt.

Als es in der Nachbesprechung der 90-minütigen Ereignisse zu der eher beiläufigen Bemerkung Sammers kam, er werde vielleicht als betagter Coach ein Spiel beim Stand von 2:4 in Minute 80 verloren geben, jetzt aber keinesfalls, schickte Meyer ein mahnendes „Na, na“ ins Mikrofon. Sammer reagierte prompt: „Nein, nein, Hans, so war das nicht gemeint, du weißt, du bist mein Vorbild.“ Fehlte nur noch, dass Sammer seinen Kotau mit einem Kniefall vor dem verehrten Meister gekrönt hätte. Egal, den kann Falko Götz nach dem 34. Spieltag und der eventuellen Rettung ja noch nachholen. Dann hätte er auch seine Berechtigung.

Hans Meyer verzichtete diesmal sogar auf die Schelte der Journalisten. Er blaffte nicht. Er fuhr nicht über den Mund oder erging sich in sinnfreien Zweideutigkeiten, Meyer redete einigermaßen Klartext. „Wir haben die Gegner oft genug durch mangelnde Teamarbeit aufgerichtet“, sagte er, „heute haben wir das nicht getan, wobei uns Dortmund schon ein bisschen geholfen hat – vielleicht aus Absicht.“

Der BVB zeigte in der Tat eine desolate Abwehrleistung. Selten hatte es Hertha BSC so einfach, in den Strafraum des Gegners zu marschieren und abzuziehen. Hinzu kam ein völlig indisponierter BVB-Keeper Guillaume Warmuz, der an mindestens zwei Treffern Schuld trug. Sammer nahm die Schlappe im Stile eines Routiniers: „Fußball ist Tagesgeschäft, heute sind wir die Deppen und morgen schon wieder die Helden, wir werden am kommenden Wochenende versuchen, nicht mehr die Deppen zu sein.“ Hertha sei „galliger“ aufgetreten, was er auch an der Spielstatistik ablesen konnte.

Berlin gewann 54 Prozent der Zweikämpfe, war jedoch weit weniger in Ballbesitz (nur 37 Prozent) als der Gegner. Sammer schloss aus den Zahlen: „Wir haben für die Galerie gespielt.“ Meyer lobte Abwehrspieler Alexander Madlung, der BVB-Stürmer Jan Koller ausgeschaltet habe, sowie Roberto Pinto für sein Laufpensum. Unerwähnt blieb Marcelinho, der erneut überragend spielte. Es bleibt dabei: Erwischt der Brasilianer einen guten Tag, tut dies auch Hertha BSC. Falko Götz darf hoffen, dass Marcelinho auch in den verbleibenden zwei Partien aufdreht.