Rechnen mit Unbekannten

Der 1. FC Kaiserslautern gewinnt dank Fritz-Walter-Wetter und Schiedsrichter Jansen gegen den VfL Wolfsburg 3:2 und geht davon aus, dass dies schon die halbe Miete für den Klassenerhalt ist

AUS KAISERSLAUTERNMARTIN HÄGELE

Vermutlich sind Frau Ernst und die Lebensgefährtin von Timo Wenzel furchtbar erschrocken, als sie sahen, wie sich ihre Männer in den Pfützen wälzten und dabei auch noch liebkosten. Keine Sorge beim anderen Geschlecht, bitte schön, aber zu solch einem öffentlichen Wasserakt kann es schon mal kommen, wenn zwei Freunde und 37.000 Zuschauer zusammen glücklich und dankbar sind. Der 37-jährige Thomas Ernst, den alle „Gustl“ rufen, ist vor einem Jahr als Ersatztorwart des VfB Stuttgart nach Kaiserslautern gezogen. Sein elf Jahre jüngerer Kumpel Wenzel, ein solider Stopper, wurde im Winter verpflichtet – als letzter Versuch des Traditionsklubs, sich gegen den Abstieg aus der Bundesliga zu versichern. Dieser Auftrag könnte nun erfüllt sein, nachdem die „Roten Teufel“ den VfL Wolfsburg 3:2 besiegt haben, nach großem Kampf und einem Rückstand, den der für den verletzten Stammkeeper Wiese eingesprungene Ernst durch einen Black-out vorm 1:1 mitverschuldet hatte.

Bevor Wenzel über den Torwart herfiel, ist der eine halbe Ewigkeit vor seinem Kasten gesessen, auf dem durchgeweichten Rasen, und es war ihm anzusehen, dass er weder das Wasser noch die Kälte gespürt hat. Ernst sah sehr ernst aus, als ob er betete. Später hat er im Fernsehen gesagt, dass „dieses Spiel das wichtigste meiner Karriere war“. Und Wenzel erzählte den Reportern, wie er nur eine Minute nach dem Fauxpas seines Freundes den Ball beim 1:2 aus den Netz geholt und nach vorne gekickt habe in der festen Überzeugung, „wir packen das noch. Weil es nicht sein kann, dass wir gegen die wegen einem Torwartfehler und einem Sonntagsschuss verlieren.“

Denn vielen unter den letzten treuen FCK-Fans war es in dieser 66. Minute so ergangen wie dem Trainer Kurt Jara, der sich fragte: „Kurtl, was hast verbrochen?“ Alle Vorzeichen an diesem schicksalsträchtigen Nachmittag hatten nämlich für die Hausherren gesprochen. Fritz-Walter-Wetter, das Terrain eine tückische Seenplatte, nichts für fußballerische Ästheten und Freunde der gepflegten Ballzirkulation. In solch einer Wasserschlacht helfen nur lange Bälle auf große Kerls, die dann per Kopf treffen oder die Kugel im Strafraum-Wühlkampf halt irgendwie über die Torlinie stochern. Dem technisch eher schwerfälligen und generell recht langsamen FCK-Ensemble liegt diese Spielart, mit dem Tschechen Vratislav Lokvenc besitzen sie einen Spezialisten für Tore solcher Machart. Als weitere Vorteile der Gastgeber zählten der bekanntlich publikumsfreundliche Unparteiische Jürgen Jansen und der Joker Miroslav Klose auf der Ersatzbank.

Der Schiedsrichter hatte schon bei der Entstehungsgeschichte von Lokvenc’ 1:0 (57.) übersehen, wie Klimowicz nicht nur ausgehebelt, sondern fast aus seinen Stutzen getreten wurde. Und den Freistoß, den Bjelica zum Siegtreffer nutzte (75.), hätten nicht viele Referees gepfiffen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Klose gerade vier Minuten auf dem Platz; in der Abwehr des VfL Wolfsburg löste allein die Präsenz des Nationalmittelstürmers blanke Konfusion aus. Biliskow rutschte aus, Franz schlug am Ball vorbei, Lokvenc bedankte sich. Der Hüne aus Prag wird heute seinen Transfer zum VfL Bochum bekannt geben.

Publikumsliebling Klose hat man die Erleichterung angemerkt, dass er nun doch als der anständige Bub aus dem Pfälzer Wald zum deutschen Meister und in die Champions League wechseln wird. Er hat nach seiner sechswöchigen Verletzungspause beim Come-back die Knochen und auch das lädierte linke Knie noch mal richtig hingehalten für seinen Arbeitgeber und will in den restlichen Partien auf Schalke und gegen Dortmund dann in der Startformation seinem Klub helfen. „Einmal sollten wir noch gewinnen, um endgültig gesichert zu sein.“

Denn bei allen Hochrechnungen über den verhinderten Abstieg kalkulieren sie auf dem Betzenberg halt doch mit fremder Hilfe (ein Sieg Hansa Rostocks gegen 1860 München; bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet) und der Tatsache, dass sich die Konkurrenz zwangsläufig Punkte abknöpft, wenn die „Löwen“ gegen Hertha BSC und zum Finale auf dem Bökelberg antreten.