piwik no script img

Archiv-Artikel

Das Leben hat wieder begonnen

Der Eishockeyspieler Dany Heatley hat bei einem selbst verschuldeten Autounfall seinen Freund und Mannschaftskameraden Dan Snyders verloren. Bei der WM hat der 22-Jährige nun ein Comeback gewagt – und ist mit Kanada Weltmeister geworden

AUS PRAG CHRISTOPH BERTLING

Kurz vor dem bitteren Ende schlug der alte Mann noch mal auf den jungen Rebellen ein. Seinen Eishockeyschläger hatte Peter Forsberg, der 30 Jahre alte Schwede, weit von sich geworfen und den 23-jährigen Dany Heatley aus Kanada stattdessen mit den Fäusten bearbeitet. Doch statt Genugtuung bekam Forsberg, der alternde Schwede, ein schelmisches Grinsen mit riesiger Zahnlücke zu sehen. Heatley wusste, dass er das Finale längst gewonnen hatte. Vier Minuten später war der kanadische Stürmer bereits in einem riesigen Freudenknäuel wiederzufinden. Heatley war mit Kanada Weltmeister im Eishockey geworden. Mit 5:3 (1:2; 2:1; 2:0) hatten sie das Finale gewonnen – und Heatley hatte Forsberg endgültig ins Abseits manövriert.

Im Moment des Triumphes schien das Leben Heatley tatsächlich wiederzuhaben. „Ich bin so froh, dass wir diesen Erfolg geschafft haben“, stammelte der Stürmer der Atlanta Thrashers, nachdem er den riesigen Pokal vor 17.000 Zuschauern in der Prager Sazka-Arena in die Höhe gestemmt hatte. Alles an diesem Abend hatte für den Eishockeyspieler mit den Körpermaßen eines Preisboxers gepasst. Team Canada war zum 23. Mal Weltmeister geworden und hat mit der Eishockeymacht Russland als Rekordhalter gleichgezogen. Und er, Dany Heatley, der meistbeobachtete Spieler, war zum Garant des Erfolges geworden.

Gleich ein Dutzend Spielervermittler hatten ihn von der Tribüne aus beäugt. Doch nicht nur die Männer mit den getönten Brillen hatten sich gefragt, ob der Kanadier das Comeback schaffen würde. Heatley hatte im Oktober einen Schicksalsschlag erlitten, von dem er sich nur schwer erholte: Mit seinem Ferrari war er mit stark überhöhter Geschwindigkeit in eine Mauer gerast, sein Teamkamerad und Freund Dan Snyders, der Beifahrer war, starb wenig später im Krankenhaus. In zwei Monaten muss sich der 23-Jährige wegen dieser Fahrt vor Gericht verantworten. Heatley hatte das Comeback gewagt, bei der WM in Tschechien wollte er seinen ersten Titel gewinnen. „Ich will Weltmeister werden“, hatte er gesagt. An den finalen Triumph hatte bis zuletzt jedoch niemand so richtig geglaubt.

Zumal Titelverteidiger Kanada durchwachsen ins Turnier gestartet war. Gegen Gastgeber Tschechien hatten sie in der Zwischenrunde eine hohe Niederlage eingesteckt, nachdem sie bereits in der Vorrunde gegen Österreich unentschieden gespielt hatten. Doch mit stoischer Ruhe taten die Nordamerikaner das, was sie schon immer am besten konnten: Sie zerstörten die Schönheit des Spiels der anderen durch eigene Effektivität. Immer wieder kämpften sie ihre Gegner nach Rückständen nieder.

Ausgerechnet im Finale aber schien diese Taktik nicht aufzugehen. Schnell waren die Schweden durch Jonas Höglund (3.) in Führung gegangen, eine erneute Aufholjagd schien ausgeschlossen, vor allem da die Skandinavier ihre Stars Niklas Lidström (Detroit Red Wings) und Peter Forsberg (Colorado Avalanche) eingeflogen hatten. Vor allem Forsberg, mit Jaromir Jagr (New York Rangers) teuerster Spieler der Welt, war reichlich ambitioniert. Immerhin waren es die Kanadier, die ihm letztes Jahr in Finnland die WM-Feier vermiest hatten, als sie den Titel holten. Außerdem plant der alternde Spieler seine Rückkehr nach Schweden; mit einem WM-Pokal wäre diese umso schöner.

Und dann hatte Forsberg im Finale tatsächlich aufgetrumpft. Nach dem frühen 1:0 hatte er den Puck mit einem genialen Pass Daniel Alfredsson auf den Schläger gelegt, der auf 2:0 erhöhte (8.). Die Entscheidung schien gefallen. Zwar verkürzte Kanada durch Kapitän Ryan Smith (14.) nochmals, doch Andreas Salomonsson (25.) schien mit dem 3:1 für Schweden die Vorentscheidung erzielt zu haben. Doch da war eben noch Dany Heatley, der mit dem 2:3 (35.) das Signal zur Aufholjagd gab. Und Kanada schaffte durch Treffer von Scott Niedermayer (36.), Jay Bouwmeester (41.) sowie Matt Cooke (51.) tatsächlich die Wende.

Unmittelbar nach der Niederlage saß Peter Forsberg, der zweifache Weltmeister und Stanleycupsieger, wie ein alter Mann in der Ecke. Das Leben schien aus seinem reglosen Körper gewichen. Indessen feierte keine zehn Meter weiter Dany Heatley. Für den Kanadier schien das Leben mit dem Finalsieg erst wieder begonnen zu haben.