: Leben mit den Toten
Was vom Sterben übrig bleibt: „Six Feet Under“ (23.10 Uhr, Vox) zeigtden Alltag eines Beerdigungsunternehmens und dass der Tod Scheiße ist
VON JUDITH LUIG
Wenn jemand gestorben ist und man das nicht so deutlich sagen möchte, sagt man: „Er ist von uns gegangen.“ Das ist falsch. Es ist nur das Leben, das weg ist. Der Tote selbst ist den Angehörigen in einer Weise präsent, in der er es vielleicht schon lange nicht mehr war. Denn jetzt muss sich jemand darum kümmern, dass mit dem Toten was passiert. Und zwar schnell, bevor der Zerfall alles Menschliche hinwegrafft und die Leiche anfängt zu stinken.
Heute beginnt bei Vox die neue Serie „Six Feet Under“, deren Zugang zum Thema Tod recht ungewöhnlich für das Serienformat ist. So unangenehm, wie Produzent und Autor Alan Ball („American Beauty“) sie zeigt, ist Sterblichkeit noch nicht zu sehen gewesen. Halb verweste oder aufgequollene Leichen schon, unappetitliche Sektionen auch, aber bei „Six Feet Under“ geht es nicht um den Schockeffekt. In subtiler Beiläufigkeit ist der Tod allgegenwärtig.
Anders als bei Serien, die das Drohende zum Thema gemacht haben, wie „Emergency Room“ beispielsweise, wird der Tod hier auch nicht verarbeitet und dazu umgemünzt, dass Menschen in gemeinsamer Trauer wieder zueinander finden.
„Six Feet Under“ ist eine unversöhnliche Serie, die die Grundprinzipien des Genres – „das Leben geht weiter“ und „alles wird gut“ – widerlegt. Die Botschaft ist: „Der Tod ist Scheiße“, wie Nate Fisher (Peter Krause) auf der Beerdigung des Vaters, der gleich in der ersten Folge stirbt, brüllt. Er zwingt die Familie, das Beerdigungsunternehmen zu übernehmen.
Jede der Folgen beginnt mit einem Ende. Der Zuschauer sieht die letzten Minuten im Leben eines Menschen, er sieht den Tod und schließlich das, was dieser Tod bei den Lebenden auslöst. „Sie scheint so friedlich“, sagt der jüngere Sohn David (Michael C. Hall) an einem offenen Sarg. „Ich hoffe, sie schippt Scheiße in der Hölle“, antwortet der Witwer.
„Six Feet Under“ handelt also vom Leben mit Toten im Hause der Fishers. Und von den Aufgaben, die Toten den Lebenden hinterlassen, ohne sie vorher zu fragen. Der Job der beiden Söhne ist es, Leichen aus dem Schauhaus zu holen, ihre Körperöffnungen mit formaldehydgetränkter Watte zu verschließen und die Verletzungen mit kosmetischem Kitt und straffenden Flüssigkeiten so zu präparieren, dass die Angehörigen am offenen Sarg stehen können, ohne die Spuren des Todes ertragen zu müssen.
Das ist die Aufgabe von David. Er macht Sterblichkeit zu einer optimal ausgeführten Dienstleistung. Er inszeniert die Leichen, sodass das zerfetzte Opfer eines Verkehrsunfalls wie ein sanft Schlummernder aussieht. Er schafft eine fernsehreife Fiktion, durch die die Angehörigen die Realität vergessen können.
Seine morbid gestimmte Schwester Claire (Lauren Ambrose) hingegen versucht sich erst gar nicht an Konfliktbewältigungsstrategien, um letztlich in allem wenigstens eine positive Lehre zu sehen. Verliert jemand bei der Trauerfeier die Fassung und wird er in den Nebenraum gebracht, stellt sie sarkastisch fest: „Damit er den anderen nicht die Stimmung verdirbt.“
Der Tod ist Scheiße und in seinem Angesicht ist das Leben nicht besser. Der Geist ihres Vaters erscheint Claire auf dem Friedhof mit Joint und Hawaiihemd. Endlich sei er befreit, erklärt er. „Jetzt muss ich nicht mehr auf den Tod warten.“ Das wie auch immer geartete Jenseits zeigt hier vor allem die Schwächen des Diesseits auf.
„Six Feet Under“ zeigt, wie ein Mensch aufhört, lebendig zu sein, und zum Bild in der Erinnerung seiner Hinterbliebenen übergeht. Die Endgültigkeit des Todes zerstört die Hoffnung, dass sich doch noch alles zum Happy End wenden könnte.
Doch trotz all der schonungslos gezeigten Verzweifelten und Verwesenden schafft auch „Six Feet Under“ keine völlig neuen Einsichten über den Tod. Damit sie funktionieren kann, ist der schwarze Humor der Serie letztlich doch in eine ganze Menge Slapstick gebannt. Anderenfalls hätte sich der Sender Vox wahrscheinlich auch nicht für die Serie entschieden. Und auch, wenn man das bei Vox etwas abmoderiert, sie soll sicher wie einst „Ally McBeal“ das Senderimage prägen. „Die einen werden sie fantastisch finden, die anderen furchtbar“, sagt eine Sprecherin. Das würde man sich wohl wünschen, doch wahrscheinlich wird der eigenartig dunkle Schleier, der sich über den Bildschirm legt, eine ganze Menge Todeskultler genauso faszinieren wie Serienjunkies.