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Archiv-Artikel

Verzögern wie die Weltmeister

Die Einführung eines digitalen Polizeifunks droht am Gerangel zwischen Ländern und Bund zu scheitern. Zur Fußball-WM rüsten die Behörden jetzt mit Technik von vorgestern

BERLIN taz ■ Die Bundesregierung hat sich endgültig von dem Ziel verabschiedet, die Polizei bis zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 mit einem digitalen Funksystem auszustatten. Mit einem knappen Verweis auf die komplizierten Regeln des europäischen Rechts erklärte Innenminister Otto Schily (SPD), vor Anfang 2005 sei nicht mit einem Ergebnis der Ausschreibung zu rechnen – zu spät, um das System noch rechtzeitig einführen zu können.

Schon 1998 hatten die Polizeien von Berlin und Brandenburg das System erstmals getestet. Pilotprojekte laufen seit November 2000 rund um das Berliner Olympiastadion und seit Mitte 2001 gemeinsam mit der belgischen und niederländischen Polizei im Aachener Dreiländereck. Der Digitalfunk, mit dem auch Verbindungen ins Telefonnetz möglich sind, soll einmal alle Sicherheitsbehörden und Rettungsdienste vernetzen. Er gilt als abhörsicher – ein Albtraum für Polizeireporter und Hobbylauscher.

Dass der Termin zur Fußball-WM nicht zu halten sein würde, hatte sich schon lange abgezeichnet. Angesichts leerer Kassen konnten sich Bund und Länder nicht auf die Kostenverteilung einigen. Auf Druck der Finanzminister ist das ursprünglich auf 9 Milliarden Euro bezifferte Projekt erheblich abgespeckt worden. Während Schily 10 Prozent der Kosten übernehmen will, verlangen die Länder vom Bund mindestens das Fünffache. Zum Teil wurden die eigenen Anteile in den Länderhaushalten bereits gestrichen oder umgeschichtet.

Um den Streit nicht offen ausbrechen zu lassen, bietet sich das Ausschreibungsverfahren als Ausweg an: Es lässt sich beliebig hinziehen. Eine deutsche Föderalismusposse, denn während dieser Zeit müssen weitere Millionen Euro in die veraltete analoge Funktechnik investiert werden. Da es für Altgeräte kaum noch Ersatzteile gebe, werde schon jetzt bei der Reparatur von Funkgeräten „aus drei eins gemacht“, heißt es bei der Polizei. Konrad Freiberg, Chef der Gewerkschaft der Polizei, spricht denn auch von einer „Investition in die Vergangenheit“. In Europa ist Deutschland bei der Einführung der neuen Technik ohnehin schon Schlusslicht.

Zu einem Alleingang einzelner Bundesländer bei der Einführung des Digitalfunks, wie Nordrhein-Westfalen es bereits mehrfach angekündigt hatte, wird es indes wohl nicht kommen. Auch in Düsseldorf werde man sich an den neuen Zeitplan halten, heißt es dort im Innenministerium. OTTO DIEDERICHS