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Archiv-Artikel

tausendundein arsch. hinterhältige gedanken eines arabers von AKTHAM SULIMAN

Ganz von der Form abgesehen sind Ärsche gleich, fast überall – könnte man meinen, wenn die Debatte über die Gefangenenbilder aus dem Irak in den vergangenen Tagen nicht entflammt wäre. Denn hier und da, im Fernsehen, im Radio oder in der Zeitung, fehlte kaum die Meinung eines Orientalisten zum Thema. Es sei ganz schlimm in der arabischen Kultur, waren die Experten zu hören, wenn ein Mann wie ein Hund nackt an ein Seil gebunden wird, und das gar von einer Frau, Gott bewahre. Man empfinde es außerdem als besonders krass, einen Stock in den Arsch geschoben zu bekommen, so ganz nebenbei, oder mitten drin als Gefangener. Eine deutsche Kollegin konnte sich neulich die Frage nicht verkneifen, ob diese arabische „Sensibilität“ bezüglich Nacktheit und Sexualität nicht vielleicht mit dem Koran in Zusammenhang zu bringen ist. So ganz ernsthaft, ohne Verarschung.

Es ist offensichtlich die Geburtsstunde einer neuen Wissenschaftsdisziplin: „die Arschäologie“. Demnach sind die Wahrnehmung, Schmerzen, Reaktionen und Schreie der Araber nach der Veröffentlichung der Bilder gefolterter Gefangener eher kultureller Natur und ohne die Religion und den heiligen Koran nicht zu verstehen. Nach der Kopftuchdebatte droht jetzt die „Arschenthüllungsdebatte“. Es ist zu befürchten, dass Dissertationen wie „Der Arsch, seine Stellung und Funktion in der arabischen Kultur – eine vergleichende Studie“ an den westlichen Universitäten nicht lange auf sich warten lassen werden.

Zu erwarten ist auch, dass sich eine neue vorurteilsbehaftete Betrachtung der arabischen Welt in die westlichen Medienlandschaft einschleicht, die sich mit „Tausendundein Arsch“-Betrachtungsweise zusammenfassend beschreiben lässt und staunende Reaktionen beim befremdeten Publikum auslöst wie „andere Ärsche, andere Sitten“. Und das kann einem, als Araber, aus praktischen Gründen nicht am Arsch vorbeigehen.

Denn wenn sich die neue Wissenschaft etablieren sollte, dann können wir gleich Abschied nehmen von den Menschenrechten und deren Allgemeingültigkeit oder vom Artikel eins im deutschen Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Vielmehr sollte es dann heißen: Der „Arsch des Deutschen“ ist unantastbar. Was andere, chinesische, russische, brasilianische oder sonstige Ärsche angeht, ist erst durch die Heranziehung der jeweiligen Kultur, Geschichte und Religion definierbar. Das ist doch arschklar. Beim Barte des Propheten!

Würde außerdem dann nicht jeder denken: Was wollen diese Araber? Kaum führt man ihnen die Demokratie ein, bekommen sie einen kalten Arsch oder es geht ihnen der Arsch auf Grundeis, wie man so schön kühl im Deutschen sagt. Dass sexuelle Freizügigkeit mit der Demokratie einhergeht, dass sich Männer woanders den Arsch aufreißen, um nackt von einer Dame am Seil gezogen zu werden, ist ihnen nicht klar dort, am Arsch der Welt.

Irgendwo haben die Westler Recht, würde ein Araber sagen. Denn in der arabischen Welt ist nach wie vor alles im Arsch. Doch jemandem in den Arsch kriechen ist bei den Arabern nicht drin – schon gar nicht den großen Arschenthüllern.