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Archiv-Artikel

Folgenreiches Nachdenken über Folter

Das Verteidigungsministerium prüft Konsequenzen für den Bundeswehr-Professor Michael Wolffsohn. DerHistoriker hatte Folter von Terroristen befürwortet – inzwischen will er sich „missverständlich ausgedrückt“ haben

BERLIN taz ■ Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) prüft Konsequenzen wegen der umstrittenen Äußerungen des Historikers Michael Wolffsohn, der an der Münchner Bundeswehr-Universität lehrt. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte gestern der taz, Struck habe den Wissenschaftler zu einem Gespräch einbestellt. Derzeit sehe man allerdings noch „keine rechtliche Handhabe“.

Wolffsohn hatte in der Fernsehsendung „Maischberger“ gesagt, er halte im Kampf gegen Terroristen „Folter oder die Androhung von Folter für legitim“. Mit den herkömmlichen Mitteln komme man nicht mehr aus, der Terror habe „mit den Bewertungsgrundlagen unserer Gesellschaft nichts mehr zu tun“.

Inzwischen hat sich Wolffsohn, der an der Münchener Bundeswehr-Universität Neuere Geschichte lehrt, auf seiner Homepage entschuldigt. Er bedauere, dass er sich „missverständlich ausgedrückt“ habe. Ihm sei es wohl nicht gelungen, seine „wissenschaftlich-theoretischen Überlegungen klar genug von den tagespolitischen Ereignissen zu trennen“. Wolffsohn bekundet in dem achtzeiligen Brief auch seine „grundsätzliche und moralische Verurteilung von Folterungen“.

Dem Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Reinhold Robbe (SPD), geht diese Stellungnahme allerdings nicht weit genug. „Wolffsohn muss sich von dieser Dummheit bei Maischberger klar distanzieren“, sagte Robbe der taz. „In einer Demokratie ist Folter nicht einmal eine theoretische Möglichkeit, so einfach ist das.“ Andere innerhalb der SPD fordern gar den Rausschmiss Wolffsohns. Johannes Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises der Parteirechten, will den „sofortigen Rücktritt“. Wolffsohns Äußerungen seien untragbar.

Im Verteidigungsausschuss braut sich noch mehr Unheil für Wolffsohn zusammen. Grüne und FDP wollen das Thema bei der nächsten Sitzung ansprechen. „Seine Entschuldigung reicht nicht aus“, sagt Winfried Nachtwei, Ausschussmitglied der Grünen, gegenüber der taz. „Dazu waren die Äußerungen zu massiv.“

Ironie der Geschichte: Bei der letzten Ausschusssitzung hatte der Wehrbeauftragte des Bundestages noch über das „besondere Rechtsempfinden der deutschen Soldaten“ doziert. „Da haut das natürlich voll rein“, sagte Nachtwei. Der Grünen-Politiker forderte „disziplinarrechtliche Folgen für Wolffsohn“. Schließlich sei der Geschichtsprofessor ein Beamter und habe sich an bestimmte Regeln zu halten. „Wolffsohns Verhalten ist unverantwortlich“, schimpfte auch der FDP-Sicherheitspolitiker Günther Friedrich Nolting.

Verhaltene Reaktionen gab es hingegen aus der CDU. Zwar hat der Unionsabgeordnete Willy Wimmer in einem Brief an das Verteidigungsministerium eine Stellungnahme Strucks gefordert. Kommentieren will er Wolffsohns Äußerungen aber nicht mehr. Auch Karl Lamers, CDU-Mitglied im Verteidigungsausschuss, sagte gegenüber der taz, er „lehne die Position Wolffsohns völlig ab“. Allerdings habe sich der Professor mit seiner Erklärung ausreichend distanziert. Wolffsohn war für eine Stellungnahme gestern nicht zu erreichen. DANIEL SCHULZ