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Archiv-Artikel

kabinenpredigt Bau auf!

Im Verlaufe der Menschheitsgeschichte haben schon unzählige Berühmtheiten vergebens versucht, Bauvorhaben bis zu einem anvisierten Termin fertigzustellen. Gewiss grämte man sich deshalb bei Union Berlin anfangs nicht sehr, als man die selbst gesetzte Frist – Anfang Oktober – nicht einhalten konnte, in der man die Renovierungsarbeiten am eigenen Stadion – der Alten Försterei – beendet haben wollte.

Den nächsten Termin, Ende Dezember, verpasste man allerdings ebenso, wie man nun den übernächsten, Anfang März, verpassen wird. Das räumte in der vergangenen Woche Union-Präsident Dirk Zingler ein. Und als die Reporter den überübernächsten Termin notieren wollten, sagte Zingler entnervt, er werde überhaupt kein Datum mehr nennen.

Aber was soll auch dieses Festnageln? Baustellen führen eben ihr Eigenleben. Insbesondere jene, auf denen wie bei Union Berlin aus Kostengründen Laien arbeiten: die eigenen Fans. Der Verein hat das eigentlich von Anfang an begriffen. Deshalb hat er auf seiner Website auch ein Baustellentagebuch eingerichtet. Die Eigenheiten jedes Arbeitstags werden dokumentiert. Auf „der schönsten Baustelle der Welt“, wie es dort stets heißt. Wer wollte diese denn beenden?

Zur Jahreswende, am Bautag 150, lobt das Onlinetagebuch, es sei „unglaublich viel geschafft worden“ und man hoffe, dass „im kommenden Jahr mit so viel Hingabe und Leidenschaft weitergebaut“ werde. Dass an dieser Stelle nicht vom nächsten halben Jahr die Rede ist, dürfte mit dem neuen Realismus zu tun haben, der bei Union eingekehrt ist. Man hat gelernt, mit Nackenschlägen umzugehen.

Dabei bedienen sich die Baustellentagebuchschreiber altbewährter DDR-Rhetorik. Tag 53: „Die Nachricht über die längere Bauphase zur Sanierung und Modernisierung der Stehplatzränge schockierte und motivierte die vielen Freiwilligen am heutigen Vormittag gleichermaßen. Denn das professionelle Ergebnis und die Nachhaltigkeit stehen für die Arbeiter im Vordergrund.“ Häufig wird betont, das Medieninteresse sei ungebrochen.

Im Grunde müsste man einen Film über dieses schier unendliche Projekt drehen. Der Titel „Das Leben ist eine Baustelle“ ist leider schon vergeben. JOHANNES KOPP