: Haushaltslöcher werden von Jahr zu Jahr größer
Aber Steuererhöhungen oder ein schärferer Sparkurs seien die falsche Antwort, bekräftigt Hans Eichel, der sich auch sonst unbeirrt gibt
BERLIN taz ■ Für Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hatten die wochenlangen Spekulationen über die Ergebnisse der Steuerschätzung auch ihr Gutes: Als der Arbeitskreis gestern seine Prognose für die nächsten Jahre bekannt gab, war die Öffentlichkeit längst vorbereitet – auch wenn die konkreten Zahlen dann doch wieder ein klein wenig höher ausfielen als der grobe Überschlag, auf den sich die Medien inzwischen geeinigt hatten. 444 Milliarden Euro werden Bund, Länder und Gemeinden in diesem Jahr wohl einnehmen, 9,6 Milliarden Euro weniger, als der Arbeitskreis Steuerschätzung bei seiner Prognose im November noch geglaubt hatte.
Etwa 8,3 Milliarden Euro davon fehlen dem Bund, 2 Milliarden den Ländern und selbst die EU-Kommission muss auf 800 Millionen Euro aus Deutschland verzichten. Allein die Gemeinden dürfen sich ausnahmsweise einmal freuen (siehe Kasten).
Am Gesamtbild ändert das jedoch nicht viel. Insgesamt werden Bund, Ländern, Gemeinden und die EU bis von 2004 bis 2007 auf 61 Milliarden Euro vom deutschen Steuerzahler verzichten müssen. Eine beeindruckende Zahl.
In diesem Jahr allerdings ist der Steuerausfall für Eichel nicht ganz so schlimm, wie die Zahlen vermuten lassen. Denn rund 3,3 Milliarden Euro hatte Eichel im Herbst zu viel im Haushalt veranschlagt, weil er eigentlich die dritte Stufe der Steuerreform ganz vorziehen wollte. Doch da war die Union im Bundesrat vor – macht ein effektives Steuerminus von 5 Milliarden. Darauf addieren sich allerdings noch weitere Haushaltslöcher: So fällt der Bundesbankgewinn um 3,2 Milliarden Euro niedriger aus als geplant. Die fehlende Maut schlägt mit einer weiteren Milliarde zu Buche. Dazu kommen zusätzliche Zuschüsse, die der Bund vermutlich an die Arbeitslosenkasse wird zahlen müssen. Macht nach Angaben Eichels ein Minus in diesem Jahr von „10 bis 11 Milliarden Euro“.
Im kommenden Jahr werden dem Bund gut 9 Milliarden an Steuern fehlen. Dazu kommen rund 3 bis 4 Milliarden Euro, die Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) an die Gemeinden für Wohngeld für Langzeitarbeitslose mindestens wird erstatten müssen. Trotzdem gab sich Hans Eichel gestern sicher, 2005 einen verfassungsgemäßen Haushalt aufstellen zu können, bei dem also die Neuverschuldung die Investition nicht überschreitet. Verbleibende Deckungslücken will der Minister über Privatisierungen lösen.
Das Maastrichtkriterium der 3 Prozent wird er aber in der Haushaltsaufstellung nicht erfüllen können. Eichel zufolge ist die EU-Kommission aber damit einverstanden, weil Eichel offenbar glaubhaft versichern konnte, dass bis Ende 2005 durch einzelne Korrekturen und Strukturreformen die 3 Prozent doch noch erreicht werden können.
Überhaupt gab sich Eichel optimistisch: Die Bundesregierung werde ihre „klare Linie“ aus Konsolidierung, Strukturreform und Wachstumsanreizen fortsetzen. Und er wies auf die Mitverantwortung der Länder hin. Hätten die seine Sparliste von 2002 zur Wirkung 2003 im Bundesrat mitgetragen, könnte der Bund 2005 über 9,3 Milliarden Euro mehr an Einnahmen verfügen.
Die Länder werden ohnehin eine große Rolle bei der Frage spielen, ob Deutschland die Euro-Defizitkriterien einhalten kann. Grob die Hälfte des deutschen Maastricht-Defizits ging bisher auf das Konto der Länder. Allerdings sind die von den Steuerausfällen dieses Mal weniger stark betroffen als der Bund: Während Eichel bis 2007 etwa 40 Milliarden fehlen, sind es bei den Länder bis dahin knapp 30 Milliarden.
BEATE WILLMS/MATTHIAS URBACH