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Archiv-Artikel

Biodynamischer Hummelflug

Die Gärtnerei Sannmann in den Vierlanden wirtschaftet seit gut 17 Jahren nach Demeter-Richtlinien und setzt verstärkt auf Direktverkauf. Öko-Branche leidet unter Konjunkturschwäche

von MIRJAM HÄGELE

Im Gewächshaus liegt der Duft von Petersilie. Rund die Hälfte der 20 Meter langen Fläche ist mit einem dunkelgrünen Petersilienwald bewachsen. Eine Gruppe von zehn Personen geht bedächtig in den Erdfurchen auf den Ausgang zu und wirft neugierige Blicke ins Gewächshaus nebenan, in dem Paprikastauden mit spitzen, hellgelben Früchten stehen. Geführt wird der kleine Trupp von Thomas Sannmann, einem schlanken und sonnengebräunten Mann mit ausgeblichenen Haaren, die der Wind zerzaust, als er draußen stehen bleibt und sich seinen Gästen zuwendet.

Die Besucher, allesamt Gärtner, denen der Bio-Landbau am Herzen liegt, schauen interessiert auf das Gelände, das sich ihrem Blick erschließt: Zu linker Hand liegt ein von Erlen umsäumter See, rechter Hand erstrecken sich hinter einer kleinen Ackerfläche weitere Gewächshäuser. „Wir bewirtschaften knapp 25 Hektar Land mit unserer Gärtnerei“, erzählt Thomas Sannmann. „Rund ein Hektar davon sind Gewächshäuser, zwölf Hektar werden mit Freilandgemüse bebaut und der Rest ist Grünland.“ Das Grünland braucht die Gärtnerei, um die 31 Kühe zu versorgen, mit deren Mist die Felder gedüngt werden. Kunstdünger ist auf allen Flächen des Betriebs tabu, seit er 1986 auf die biologisch-dynamischen Richtlinien des Demeter- Verbandes umgestellt wurde.

Die Gärtnerei Sannmann in den Vier- und Marschlanden gehört damit zu den 3,8 Prozent landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland, die ökologischen Landbau betreiben und deren Produkte das staatliche Bio-Siegel tragen dürfen. Nachdem der Absatz an Bio-Produkten im Jahr 2001 zunächst wegen BSE-Krise und Schweinepest stark gestiegen war, hat sich die Situation der Öko-Branche im vergangenen Jahr wieder verschlechtert: Im Sommer sorgte der Nitrofen-Skandal für eine deutliche Zurückhaltung der Verbraucher. Zudem ist der Öko-Markt in Bewegung geraten. Der Preisdruck in der Branche steigt. Außerdem drohen Umsatzeinbrüche, da derzeit viele Discounter die Bio-Produkte nach einer Testphase wieder aus dem Sortiment nehmen, wenn sie nicht gut laufen.

Kleine Läden leiden unter Umsatzeinbußen

Thomas Sannmann beurteilt die Lage am Hamburger Öko-Markt kritisch: „Zur Zeit haben gerade die kleinen Läden Umsatzeinbußen.“ Kein Wunder, dass der Direktverkauf eine wichtige Rolle für seine Gärtnerei spielt: „Wir liefern jede Woche 1700 Gemüse-Abo-Kisten aus“, sagt er nicht ohne Stolz.

Von solchen Zahlen können andere Öko-Betriebe nur träumen. Gerade in ländlichen Gegenden ist der Absatz von Bio-Produkten nach wie vor mühsam. Auch die Werbekampagne für das Bio-Siegel des Ministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft konnte hier nur wenig bewirken. Denn Bio ist für viele nach wie vor ein Luxus, den man sich nicht alle Tage leistet. Eine Studie der „Stiftung Ökologie und Landbau“ geht davon aus, dass der Umsatz in der Öko-Branche erst wieder steigen wird, wenn die allgemeine Konjunkturschwäche überwunden ist.

Dabei sind die Preise niedriger, als man erwartet: Sannmann nimmt für eine kleine Abo-Kiste – enthält jeweils sechs bis sieben Gemüse der Saison, davon immer einen Salat und ein Bund Kräuter – 10 Euro, Lieferung inklusive. Er ist froh, weil das Jahr 2003 für ihn entgegen der schlechten Prognosen erfreulich begonnen hat: „Der Frühling war ungewöhnlich warm, da haben wir gute Erträge erzielt. Im Moment gibt es sehr viel zu tun, weil die Ernte mit der neuen Aussaat zusammenfällt.“

Der Rundgang durch die Gewächshäuser zeigt, dass nicht nur die Frühlingssonne, sondern auch der selbst erzeugte Kompost ganze Arbeit geleistet haben: In tropisch feuchtem Klima ranken Gurkenpflanzen bis unter die vier Meter hohe Decke. Verschieden große Gurken hängen neben dicken, gelben Blüten herunter. Auch die Strauchtomaten ragen bis an den Giebel. Pappschachteln in der Mitte des Raumes beherbergen Hummelvölker, die emsig ein- und ausfliegen und sich um die Bestäubung kümmern.

Tagetes wuchert gegen Schneckenfraß

Besonders schön nehmen sich die Wege in den Gewächshäusern aus: Zwischen den Reihen der Nutzpflanzen wächst Klee, am Wegrand stehen wilde Stiefmütterchen und unter den Auberginen wuchern orangerote Tagetes: „Die sind nicht nur schön, sondern dienen auch der Schädlingsbekämpfung und als Kompost“, erklärt Markus Eiland.

Der Gärtnermeister und Betriebsleiter bei Sannmann hat die Führung übernommen. Wenn er die Besonderheiten des Demeter-Betriebs erklärt, merkt man ihm an, wie gern er hier arbeitet und dass er mit Überzeugung hinter den naturnahen Verfahren steht. Er schmunzelt über das Erstaunen der Gäste angesichts der bunten Blumen zwischen den Nutzpflanzen: „Wenn man hier schon den ganzen Tag schuftet, sollte man es auch ein bisschen schön haben, oder? Schließlich sollen sich nicht nur die Pflanzen wohl fühlen.“

Gärtnerei Sannmann, Ochsenwerder Norderdeich 50, 21037 Hamburg, Tel.: 737 121 72. Der Hofladen, Ochsenwerder Landstraße 153, ist montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr, samstags von 7 bis 13 Uhr geöffnet. Infos zum Gemüse-Abo unter ☎73 71 21 33 oder www.gemuese-abo.de