Bio macht sexy

von KATHARINA KOUFEN

Ist öko sexy? Oh nein! Zum Beispiel Bioläden: Bioläden erkennt man am Geruch. Der bleibt hängen, das Image irgendwie auch: von Wohngemeinschaften, Körnermühlen und selbst gebackenem Brot. Von Askese, Verzicht, Lustfeindlichkeit. Vom langhaarigen, ungeduschten Typ, der in seiner Altbauküche sitzt, stundenlang auf eingeweichten Getreidekörnern, ohne Zucker (Zucker – bah!), herumkaut und dabei auf den Atomkrieg wartet.

Klischee, Klischee. Denn dieser, nennen wir ihn politischer Öko, gehört heute zu den Minderheiten im Bioladen. Die Gesellschaft für Sozialforschung „Sinus“ behauptet sogar: „Soziale Gruppen, die noch vor zehn Jahren durch Umweltverhalten charakterisiert waren, sind verschwunden.“ Der politische Öko hatte seine Hochzeit in den 80er-Jahren. Er (oder sie) kaufte Bioprodukte, weil das zum „ganzheitlichen Umweltgedanken“ der Ökobewegung gehörte. Genauso wie die Frage, in welcher Pelle die Ökowurst steckt. Kunststoff oder Naturdarm? Oder die Ökobilanz von Bioorangensaft: dass nämlich zur Herstellung eines Liters Saft 30 Liter Wasser und die Energiemenge von 0,4 Liter Sprit verbraucht werden. Er konsumiert Bio also aus Überzeugung. Auf die Frage, ob öko sexy ist, würde er deshalb nicht antworten, denn es interessiert ihn nicht. Bei ihr könnte es sogar sein, dass sie mit Empörung reagiert.

Wer heute in den Bioladen geht, trifft dort vor allem auf dogmaunverdächtige Kinderwagenmütter jenseits der 30. Bio- und Ökoprodukte werden überproportional von Frauen zwischen 35 und 49 Jahren gekauft, fand die Gesellschaft für Konsumforschung heraus. Und: Fast 45 Prozent des gesamten Biogemüses in Deutschland wandern in die Einkaufstüten von Familien mit Kindern. Thomas Dosch vom ökologischen Anbauverband Bioland bestätigt: „Mit Kindern kauft man Bio, einfach deshalb, weil man für seine Kinder das Beste will.“ Ob öko sexy ist, spielt also auch bei der Käufergruppe Mütter keine große Rolle. Ganz unsexy kann es allerdings nicht sein, denn Prominente mit Sexappeal wie Claudia Schiffer und Madonna kaufen auch im Bioladen, seit sie Kinder haben.

Und die Väter? „Väter sind oft radikaler als Mütter“, weiß Heike Kirsten, Marketingleiterin des Naturkostherstellers Rapunzel und ehemalige Bioladenverkäuferin. „Wenn sie erst mal anfangen, sich um die Ernährung ihrer Kinder zu kümmern, dann 150-prozentig.“ Der Sexappeal von Vätern steigt also im Bioladen. Eine alte Spielplatzweisheit besagt schließlich, dass Männer, die sich um ihre Kinder kümmern, bei Frauen gut ankommen.

Trifft man ältere Leute im Bioladen, geht es oft um deren Wohlbefinden. „Solche, ich sag mal rüstigen Senioren, essen gesund, um sich länger fit zu halten“, sagt Heike Kirsten. „Viele ältere Leute kommen aber auch, weil sie im Bioladen noch persönlich bedient werden.“ Allerdings sind die über 65-Jährigen die kleinste Käufergruppe, ihr Anteil an der Gesamtmenge der verkauften Biowaren beträgt nur etwas mehr als ein Zehntel. Das habe, so Thomas Dosch, auch damit zu tun, dass die über 65-Jährigen Krieg und Nachkriegsjahre erlebt haben und damals „einfach andere Sorgen“ hatten als glückliche Hühner oder biologisch-dynamische Mohrrüben. Ob öko sexy ist? Spielt keine Rolle.

Die großen Newcomer der letzten Jahre sind, neben den Familien, auch jene Berufstätigen, nennen wir sie Öko-Yuppies, die sich mit Bioprodukten etwas Gutes tun wollen. Für sie wurde vor knapp anderthalb Jahren eigens eine neues Magazin geschaffen. EVE heißt es, „Ernährung Vitalität Erleben“. Schon der Name zeigt, was anders ist als bei dem alteingeführten Schrot & Korn. Chefredakteur Jan Egel beschreibt seine Zielgruppe: „Junge Leute, die mit dem alten Öko-Touch nichts mehr gemein haben.“ Nach all den Lebensmittelskandalen interessieren sie sich für gesunde Ernährung. Dogmatisches und Esoterisches befremdet sie. In EVE verraten Schauspielerinnen ihr „Geheimrezept: Viel Bewegung und Kochen mit Bioprodukten“. Und: EVE legt wert auf „sinnliche Fotos“, so Egel.

Für die Öko-Yuppies ist „grün“ längst nicht mehr Voraussetzung für „Bio“. Bio essen und Auto fahren – kein Widerspruch. Außerdem ist der Öko-Yuppie sprunghaft, fand die Gesellschaft für Sozialforschung heraus. Morgens ist er sein Biomüsli, mittags Fast-Food, und abends geht er ins schicke Restaurant. Und nicht einmal mehr die Hemmschwelle Bioladen mit dem muffigen Ambiente und den kleinen, schrumpligen Äpfeln existiert noch. „Der Banker geht eben in den Supermarkt und kauft sich dort seinen Biolachs“, hat der Bioland-Vorstand Dosch beobachtet.

Auch bei Rapunzel weiß man: „Bio ist in bestimmten Schichten ein Statussymbol.“ Der Öko-Yuppie legt Wert auf schöne Verpackung. Marketingfrau Kirsten: „Die Leute wollen Ökoinhalt, aber das Design darf auf keinen Fall ein angestaubtes Ökoimage haben.“ Sexappeal? Aber hallo!

Einen Beleg dafür, dass Bioprodukte nicht nur sehr sexy machen können, sondern ganz einfach besser schmecken, lieferten übrigens die Affen im Zoo von Kopenhagen: Als die Tierpflegerin ihnen Biobananen und konventionell angebaute Bananen hinlegte, aßen die klugen Tiere zunächst die Biofrüchte – mit Schale. Dann erst griffen sie nach dem konventionellen Obst und schälten es.