theater
: Perfekt inszenierte Zombies

Ibsens „Gespenster“ – das sind die bösen Geister der Familie Alving. Untote Gefühle und ungesühnte Untaten lasten auf dem Haus am Fjord. Der verstorbene Hauptmann war ein Säufer, der seiner Frau das Leben zur Hölle machte und Sohn Oswald die Syphilis vererbte. Hausmädchen Regine ist seine uneheliche Tochter, deren Ziehvater Engstrand ein gerissener Hund. Doch all diese Dinge bleiben zunächst unausgesprochen. Erst nach und nach erwacht die Vergangenheit zum Leben, bricht die Wahrheit durch unzählige Zwiebelschichten aus Konvention und Verklemmtheit hervor.

Ibsens „Gespenster“ feierten am Sonntag in der Kölner Schlosserei Premiere. 1881 waren sie noch ein Skandal, immerhin ging es um Unaussprechliches: Alkoholismus, Ehebruch, Inzest – und das alles im bürgerlichen Rahmen. Albrecht Hirche gelingt es, das Familiendrama um seinen zeitlosen Kern zu inszenieren: um zweckmäßige Lügen in der modernen Welt und um Probleme, die als Zombies weiterleben und sich wie Syphilis vererben, wenn sie ignoriert werden.

Hirche bürstet Ibsen gegen den Strich: statt feiner Zurückhaltung herrscht offener Streit auf der Bühne. Die Figuren brüllen sich an, legen Aggression und Ironie in ergreifend intonierte Sätze. Hirche legt unterdrückte Konflikte offen und spitzt sie zu, kehrt Innerstes nach Außen, macht aus dem Sprechstück ein Psycho-Drama. Als Kulisse dienen Chiffren bürgerlichen Behagens: Lämpchen und Väschen, Gläschen und Tässchen stehen auf den Tischen, drumherum zwölf schwere schwarze Schränke und Kommoden, in die die Figuren sich und ihre Seelen einschließen.

Hirches engagierte, perfekt choreografierte „Gespenster“ verlangen viel von den SchauspielerInnen und lassen sie Glänzendes abliefern: Susanne Barth als facettenreiche Helene Alving, Markus Scheumann als renitenter Oswald, Ralf Harster als verschlagener Engstrand, Vanessa Stern als Luder Regine und Michael Altmann als Pastor Manders zwischen Inquisitor und Sozialpädagoge. Seit langem die überzeugendste Inszenierung der Bühnen Köln. Tosender Applaus. Holger Möhlmann

„Gespenster“: Schlosserei Köln, Krebsgasse, Tel. 221/28 400 Weitere Vorführungen: 19., 21., 23. und 29. Mai, jeweils 21 Uhr