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Archiv-Artikel

Gaddafi als afrikanischer Antiterrorführer

Sahel-Sahara-Staaten-Gipfel in Mali beschließt regionale Eingreiftruppe und fordert Zusammenarbeit mit Libyen – vor allem seitens jener Staaten, die im Antiterrorkampf mit den USA kooperieren. Verwirrung über Rebellen im Tschad

BERLIN taz ■ Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi hat sich zum Führer des afrikanischen Kampfes gegen Terroristen erklärt. Der Staatengipfel der Sahel-Sahara-Gemeinschaft (Cen-Sad), die 1998 von Libyen gegründet wurde und in der die meisten Länder der Nordhälfte Afrikas vertreten sind, war am Wochenende für Gaddafi frisch nach seiner Versöhnung mit dem Westen eine Gelegenheit, seine Machtansprüche zu untermauern und jede Einmischung „fremder Mächte“ abzulehnen. Gaddafi war Finanzier und heimlicher Gastgeber des Gipfels in Malis Hauptstadt Bamako, bei dem eine „entschlossene Verurteilung von Terrorismus und Banditentum in der Sahara“ beschlossen wurde.

Neben der Aufnahme von Ghana, Guinea-Bissau, Liberia sowie der Elfenbeinküste als Vollmitglieder der Cen-Sad war ein Hauptthema des Gipfels die Sicherheitspolitik. Gaddafi realisiert über die Cen-Sad Vorstellungen, die er auf gesamtafrikanischer Ebene nicht durchsetzen kann. So ist in Bamako eine gemeinsame Sahel-Sahara-Eingreiftruppe beschlossen worden, die unter anderem im Falle innerer Konflikte und humanitärer Katastrophen tätig werden soll.

Das richtet sich vor allem gegen die USA, und zwar nicht nur wegen vermuteter US-Interventionsgelüste beim Krieg in Sudans Westregion Darfur. Die gesamte Sahara- und Sahelregion ist in den letzten Monaten zu einer Bühne diskreter US-Militäraktionen gegen vermutete Terroristen geworden, mit mobilen US-Einsatzkommandos in Mauretanien, Mali, Niger und Tschad. Die USA arbeiten dabei eng mit Algerien zusammen. Beim Gipfel vom Wochenende war Algerien nicht vertreten. Stattdessen gab es einen Aufruf zur Zusammenarbeit von Mali, Niger und Tschad mit Libyen.

Aktueller Anlass ist, dass im März US-Einheiten und lokale Sicherheitskräfte eine algerische Islamistengruppe, die für die Entführungen europäischer Sahara-Touristen in Südalgerien und ihre Verschleppung nach Mali vor einem Jahr verantwortlich gewesen sein soll, von Mali über Niger bis in den Tschad gejagt und mehrere Dutzend von ihnen getötet hatten. Nun hat die im Norden des Tschad aktive Rebellenbewegung MDJT (Bewegung für Demokratie und Gerechtigkeit im Tschad) behauptet, „zehn bis 20“ der im März ins Land eingedrungenen algerischen Kämpfer als Gefangene zu halten, darunter Abderrazzak el Para, ein Führer der für die Geiselnahmen verantwortlichen algerischen Islamistenbewegung GSPC (Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf). Sie sei bereit, diesen auszuliefern. Man habe versucht, mit Algerien, Deutschland, Frankreich, Niger und den USA Kontakt aufzunehmen, sagte ein MDJT-Sprecher. Wer die Gefangenen wolle, müsse sie allerdings selbst abholen.

Gegen Abderrazzak liegen in Algerien und Deutschland Haftbefehle vor. In US-Medien wird berichtet, eine mögliche Auslieferung der Gefangenen durch die MDJT-Rebellen sei schwierig. Die Regierung des Tschad solle nicht durch direkte Kontakte ausländischer Regierungen zu tschadischen Rebellen brüskiert werden. DOMINIC JOHNSON