: Mehdorn wechselt seinen Tarifkurs
Aus dem Debakel um die Preisreform zieht der Bahnchef erste Konsequenzen: Die alte Bahncard kommt zurück. Die Details wird Hartmut Mehdorn morgen auf der Aufsichtsratssitzung bekannt geben. Umweltverbände stellen ihre Forderungen vor
von HANNA GERSMANN und MATTHIAS URBACH
Die Bahncard mit 50 Prozent Preisnachlass kommt offenbar wieder. So jedenfalls war es gestern aus unterschiedlichen Quellen zu vernehmen. Unklar ist bislang, ob sie mit den derzeit gültigen Plan-&-Spar-Tarifen kombiniert werden kann. Sicher ist, dass Bahnchef Hartmut Mehdorn morgen seine Reform der Preisreform im Aufsichtsrat abstimmen und hinterher der Öffentlichkeit vorstellen wird.
Die Rückkehr zum Altbewährten wäre keine Schande. Wenn die Bahn tatsächlich die alte Bahnkarte wieder einführen sollte, teilte sie das Schicksal mit dem Weltkonzern Coca-Cola, der einst mit der Änderung seines Rezepts weltweit die Kunden vergrätzte.
Schon vorab bekam Bahnchef Hartmut Mehdorn reichlich Beifall für einen solchen Schritt: „Die Wiederauflage der Bahncard 50 würde ich ausdrücklich begrüßen“, erklärte der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Reinhard Weis, und auch sein Kollege Albert Schmidt von den Grünen findet es richtig, dass die Bahn damit „etwas für die Vielfahrer tut“. Positiv reagierten auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) und der Umweltverband BUND.
Mehdorn musste handeln. Ihm blieben die Kunden weg, nachdem er das Tarifsystem im Dezember letzten Jahres massiv änderte. Allein im Fernverkehr brach der Umsatz bis Ende Mai um gut ein Fünftel ein. Angesichts dieses Desasters änderte der ruppige Bahnchef seine Taktik. Bisher hatte er jeden, selbst gut gemeinten Ratschlag der Politik zu seinen Bahnpreisen zurückgewiesen. Inzwischen bezieht er die Spitzen der Bundesregierung – die noch immer zu hundert Prozent Besitzer des Konzerns ist – in die Entscheidung ein.
So wird er heute das neue Preissystem schon vor dem Aufsichtsratstermin mit Verbraucherschutzministerin Renate Künast, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, Verkehrsminister Manfred Stolpe, der Umweltstaatssekretärin und Aufsichtsratsmitglied Margareta Wolf sowie Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier besprechen.
Bei dem Termin wird es auch um den Service der Bahn gehen. Mindestens zwei weitere Fragen brennen den Koalitionspolitikern unter den Nägeln: Wie werden die Züge pünktlicher? Und wie können Kunden entschädigt werden? Mit schnellen Lösungen rechnet hier aber niemand. „Ein Jubelschrei wird nach dem Termin nicht durch die Nation gehen“, heißt es aus Regierungskreisen.
Würde die neu aufgelegte Bahncard tatsächlich – wie vorab gemeldet – 200 Euro kosten, dann müsste man in der Regel 6- bis 8-mal fahren, um die Investition wieder herauszufahren. Die alte Bahncard wurde im Schnitt für 8 bis 10 Fahrten jährlich genutzt. Die Preiserhöhung ist nötig, um nicht das Ziel zu torpedieren, durch das Rabattsystem die Züge in Spitzenzeiten etwas zu entlasten.
Nach Einschätzung des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) wäre der höhere Preis der neuen alten Bahncard allerdings nur dann zu rechtfertigen, wenn die Grundpreise auf langen Strecken wie bisher gesenkt blieben, wenn Kinder auf der Bahncard kostenlos mitfahren könnten und auch der Mitfahrerrabatt auf die neue Bahncard anwendbar wäre.
Vielleicht hat die Forderungen auch der neue Berater der Bahn gehört: Letzte Woche hatte Mehdorn Hemjö Klein als Berater bestellt. Klein war schon einmal bei der Bahn: Er kreierte 1992 die Bahncard.