Irak-Fahrplan ohne Änderungen

Nach Attentat auf Ratspräsident: Washington und London halten an Machtübergabe am 30. Juni fest. Blair will Truppen verstärken. Vier Festnahmen im Mordfall Berg

BAGDAD afp/dpa ■ Nach der Ermordung des Vorsitzenden des irakischen Regierungsrats haben die USA und Großbritannien ihre Entschlossenheit zur fristgemäßen Machtübergabe an die Iraker am 30. Juni bekräftigt. Bei der Trauerfeier für Issedin Salim in Bagdad sagte US-Zivilverwalter Paul Bremer gestern, die US-geführte Koalition wolle den politischen Prozess fortsetzen, „der im kommenden Monat in die Entstehung einer Übergangsregierung münden wird“.

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld betonte, der 30. Juni sei kein „magisches Datum“, an dem plötzlich ein stabiles Land entstehen werde. Möglicherweise kehre wieder Chaos in den Irak zurück, so Rumsfeld am Montag in Washington.

Der britische Außenminister Jack Straw sagte der BBC, die US-geführte Koalition stoße zwar „offensichtlich“ auf größere Schwierigkeiten, als sie noch vor neun Monaten angenommen habe. Dennoch werde es Ende kommenden Monats „eine wirkliche Machtübergabe“ geben. Die künftige Übergangsregierung des Irak werde darüber entscheiden, ob die Besatzungstruppen weiterhin stationiert bleiben.

Großbritannien will seine Truppen im Irak um etwa ein Drittel verstärken. Laut Times wolle Premier Tony Blair bis zu 3.000 zusätzliche Soldaten entsenden und dies als Teil einer mittelfristigen Rückzugsstrategie darstellen: Die zusätzlichen Soldaten sollten den Aufbau irakischer Sicherheitskräfte vorantreiben, um so die Voraussetzungen für einen schnelleren Abzug der Briten zu schaffen. Blair hatte am Montag während seines Türkeibesuchs jedoch noch einmal klargestellt, dass er trotz der schwierigen Lage an seinem derzeitigen Kurs festhalten werde. Dagegen schließt Thailand einen Abzug seiner 450 Soldaten aus Irak nach der dortigen Machtübergabe Ende Juni nicht aus.

Im Zusammenhang mit der Enthauptung der US-Geisel Nicholas Berg in Irak sind vier Verdächtige festgenommen worden. Das sagte ein ranghoher irakischer Beamter gestern. Der 26-jährige Berg war in Irak von Unbekannten verschleppt und vor laufender Kamera enthauptet worden. Die Hinrichtung hatte weltweit für Entsetzen gesorgt.

Unterdessen sind bei neuen Gefechten zwischen Besatzungssoldaten und schiitischen Milizionären in Nadschaf und Kerbela gestern Morgen nach Angaben von Klinikärzten mindestens sechs Iraker getötet worden. Augenzeugen berichteten zudem, direkt vor dem Haus von Großajatollah Ali al-Sistani in Nadschaf sei am Montag und gestern geschossen worden.

Bereits am Montagabend hatten die US-Armee und die Miliz des radikalen Schiitenführers Moktada al-Sadr im Bagdader Schiitenviertel Sadr City einen 48-stündigen Waffenstillstand vereinbart. Dies berichtete der irakische Polizeioberst Maaruf Allami gestern. Für heute sei ein weiteres Treffen angesetzt worden, auf dem über eine Verlängerung gesprochen werden solle.