Die Junge Gruppe sieht alt aus

Bei ihrer konstituierenden Sitzung besetzt die CDU-Fraktion Ämter und Pöstchen – und setzt auf Alter und Erfahrung

taz ■ Manches nimmt sich derzeit eigenartig aus im CDU-Haus am Wall. Da ist der dubiose, bislang unaufgeklärte Lauschangriff in den Büros von Bernd Neumann und Jens Eckhoff. Und dann findet der Besucher auf der Herren-Toilette eine Papiertragetasche mit CDU-Aufdruck, auf die irgendjemand handschriftlich „Kotztüte“ geschrieben hat.

Der neue Fraktionsvorsitzende Jörg Kastendiek hatte diese aber offenkundig nicht nötig: Bester Laune stellte er gestern seine neue Truppe vor. Zu seinen Stellvertretern hatte die Fraktion am Dienstagabend die erfahrenen Parlamentarier Helmut Pflugradt und Dieter Focke gewählt. Den Fraktionsvorstand komplettieren als Beisitzer Paul Bödeker aus Bremerhaven, Rolf Herderhorst, Jörg Jäger, Rita Mohr-Lüllmann, Karl-Uwe Oppermann und Wolfgang Schrörs. Während die Wahl des neuen finanzpolitischen Sprechers Pflugradt zum Vize ungefährdet war, musste sich der bau- und verkehrspolitische Sprecher Focke einer Kampfabstimmung stellen – und setzte sich gegen Jörg Jäger durch, der der „Jungen Gruppe“ der Fraktion angehört.

Auch sonst mussten die „Jungen“ Federn lassen. Catrin Hannken, die im Wahlkampf neben anderen jungen CDU-Frauen Plakate hat schmücken dürfen und auf Rang 3 der Wahlliste stand, kandidierte erst gar nicht für den Fraktionsvorstand. Sie stehe ja am Anfang ihrer juristischen Karriere und wolle „sich erst einmal ein berufliches Fundament schaffen“, sagte Kastendiek. Jetzt darf sie für die Fraktion in den Politikbereichen Justiz und Fischereihafen sprechen. Wirtschaftspolitische Sprecherin wird Sibylle Winther, die „aus persönlichen Gründen“ nicht mehr als Staatsrätin zur Verfügung stand.

Auch bei den Nominierungen für den Vizepräsidentenposten gab es ein Gerangel: Nur denkbar knapp, mit 15 zu 14 Stimmen, konnte sich Amtsinhaber Bernd Ravens aus Bremerhaven gegen Wolfgang Schrörs durchsetzen.

Als Senatoren nominierte die Fraktion bei nur einer Gegenstimme Hartmut Perschau (Wirtschaft/Kultur) und bei einer Enthaltung Thomas Röwekamp (Inneres). Vier Gegenstimmen bekam Ex-Fraktionschef Jens Eckhoff (Bau und Umwelt). Der sei ja als „Vertreter des offenen Worts“ bekannt, versuchte Kastendiek den kleinen Dämpfer zu erklären, „der wird dem einen oder anderen schon mal auf die Füße gestanden sein – was natürlich in dem Fall sehr schmerzhaft ist“.

Bauingenieur Kastendiek, der seit 1991 in der Bürgerschaft sitzt, sprach von „schweren und intensiven Auseinandersetzungen“, die auf die Regierungskoalitionen bei den Haushaltsberatungen zukommen würden. Der Koalitionsvertrag sei „keine Bibel, aber der rote Faden“ für die kommenden vier Jahre. Über „den ein oder anderen Punkt“ könne man aber gewiss noch einmal reden, so Kastendiek. jox