Amtlich: Handel mit heißer Luft

Europaparlament beschließt Richtlinie zum Handel mit Kohlendioxid-Zertifikaten

BERLIN taz ■ Die Richtlinie 96/61/EG: Nach jahrelangem Streit hat das Europaparlament gestern einem Kompromiss über den Handel mit Emissionsrechten zugestimmt. Danach sollen die größten Luftverschmutzer in der EU ab 2005 Zertifikate für den Ausstoß von Kohlendioxid erhalten und damit handeln dürfen. Wer sein Kontingent nicht verbraucht, kann Zertifikate verkaufen. Die Neuregelung gilt für die demnächst 25 Mitgliedsstaaten der EU. Beteiligen wollen sich auch Norwegen, Island, Liechtenstein und die Schweiz. Die Richtlinie soll endlich die Umsetzung des Kioto-Protokolls zum Klimaschutz beschleunigen.

Das Emissionshandelskonzept hat John Dales bereits 1968 entwickelt. In den 1970er-Jahren wurde es in den USA erstmals bei Schwefeldioxid angewandt. In Europa und Deutschland blieb die Diskussion über dieses Instrument lange Zeit auf die Wissenschaft beschränkt. Das änderte sich erst mit den internationalen Klimaverhandlungen Mitte der 90er-Jahre. Die EU führt den Emissionshandel nun eher ein als eigentlich vom Kioto-Protokoll vorgesehen. Das nämlich – immer noch nicht in Kraft – sieht den Zertifikatshandel erst ab 2008 vor.

Von Richtlinie 96/61/EG sind nach Kommissionsangaben ab 2005 erst mal etwa 10.000 energieintensive Unternehmen betroffen – also Zement-, Papier-, Glashersteller, Raffinerien und Hochöfen, Ziegeleien. Nach dem gestern erzielten Kompromiss sind chemische und Aluminium verarbeitende Industrie, Dienstleistungen und Verkehr zunächst ausgeschlossen. Darauf hatten mehrere EU-Staaten bestanden. Der ursprüngliche Entwurf hatte sich zum Ziel gesetzt, 46 Prozent der EU-weiten Kohlendioxid-Emissionen in das Handelssystem einzubeziehen. Umweltschützer kritisieren, dass durch die Änderung dieses Ziel nicht annähernd erreichbar sei.

NICK REIMER