: Nachfrage nach Ökonomin
Erstmals könnte eine Professorin als Wirtschaftsweise der Bundesregierung berufen werden. Unstimmigkeiten zwischen Kanzleramt und Wirtschaftsministerium
BERLIN taz ■ Innerhalb der Bundesregierung ist eine Diskussion im Gange, wer den freien Posten als Wirtschaftsberater übernehmen soll. Weil Axel Weber Chef der Bundesbank wird, scheidet er aus dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Fünf Weise“) aus. Nun sind die Namen von vier Professorinnen als mögliche Kandidatinnen im Gespräch: Dalia Marin (Universität München), Renate Ohr (Universität Göttingen), Monika Schnitzer (Universität München) und Beatrice Weder di Mauro (Universität Mainz).
Allen vier Wissenschaftlerinnen gemeinsam ist, dass sie sich mit internationalen Wirtschaftsfragen beschäftigen. Das würde die Fachkompetenz des Sachverständigenrats sinnvoll ergänzen. Bisher sind dort Spezialisten für Arbeitsmarkt, öffentliche Finanzen, Geldpolitik und Rentensysteme vertreten.
Die Ökonominnen sind qualifizierte Wissenschaftlerinnen, die der Männerriege im Sachverständigenrat in nichts nachstehen. Im Gegenteil: Dalia Marin, Monika Schmitz und Beatrice Weder weisen reihenweise Publikationen in den angesehensten ökonomischen Fachzeitschriften vor. Die beiden Münchner Professorinnen beschäftigen sich mit internationalem Handel, Institutionen und Übergangsproblemen zwischen Plan- und Marktwirtschaft. Beatrice Weder ist Expertin für internationale Finanzmärkte, insbesondere im Zusammenhang mit Entwicklungsländern. Renate Ohr ist die Politischste im Bunde: Die Direktorin des Zentrums für Globalisierung und Europäisierung der Wirtschaft war Initiatorin des Manifestes der 62 Professoren gegen den Vertrag von Maastricht – damals aus Furcht vor Inflation. Ein Verständnis für eine Verletzung des Stabilitätspaktes ist von ihr nicht zu erwarten.
Ob die Liste der Namen, die das Handelsblatt veröffentlicht hat, auf Regierungsquellen beruht, ist unklar. Wahrscheinlicher ist, dass sie eine recht beliebige Auswahl unter den einschlägigen Professorinnen in Deutschland darstellt. So wird beispielsweise Monika Merz, Professorin für Internationale Wirtschaftspolitik an der Universität Bonn, nicht genannt.
Dem Vernehmen nach findet die Suche unter drei Kriterien statt: außenwirtschaftliche Kompetenz, Frau und eine gewisse Nachfrageorientierung. Auf Letztere scheint im Gegensatz zum Bundeswirtschaftsministerium vor allem das Bundeskanzleramt Wert zu legen. Bisher wird der Sachverständigenrat von Wissenschaftlern dominiert, die der neoklassischen, eher angebotsorientierten Wirtschaftstheorie nahe stehen. Weil diese Ausrichtung nicht recht zu der Akzentverschiebung passt, die Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) durchsetzen will, soll das Bundeskanzleramt die Personalfrage an sich gezogen haben. Zuständig ist eigentlich Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD). Die Berater beruft der Bundespräsident auf Vorschlag der Regierung. HANNES KOCHMICHAELA KRAUSE