In einer Woche um die Welt

Reformagenda 20/03 – Teil 1: Kein Geld für drei Wochen Hawaii! Was, es reicht nicht einmal für Mallorca? Kein Problem. Reisen ist Kopfsache, sagt Johanna Marxer – und eine Frage des Telefons

Interview SUSANNE LANG

taz: Frau Marxer, wie kann man per Telefon verreisen?

Johanna Marxer: Auf dem Balkon sitzen und Bekannte in der ganzen Welt anrufen. So bin ich auf jeden Fall virtuell an diese Orte gereist, indem ich mir erzählen ließ, was dort gerade so passiert.

Wo ist dabei das Reisegefühl?

Das Reisegefühl hängt in der Luft. Man ist weder hier noch da, ein bisschen zwischen den Welten – in Gedanken aber am jeweiligen Ort.

Was fasziniert Sie an Alltagsreisen?

Es gibt so viele Fortbewegungsarten, die als solche zu wenig beachtet werden. Mittlerweile fließen sie alle ineinander – man fährt Rad und telefoniert mit dem Handy oder sitzt im Flugzeug und sieht fern. Sie verdienen einzeln für sich mehr Aufmerksamkeit.

Welche Reiseform hinterlässt die stärksten Eindrücke?

Ich kann nur sagen, welche die schrecklichsten hinterlässt: das Fernsehen. Nach 24 Stunden treten alle Klischeevorstellungen ein: flimmernde Augen und völliges Untergehen in einem Fernsehbrei. Dafür ist man richtig glücklich, wenn man aufhören darf.

Wo landet man denn so auf einer 24-Stunden-Fernsehreise?

Ich kann mich gar nicht mehr erinnern. Nach ein paar Stunden verschwimmt alles ineinander. Man nimmt sogar die Unterschiede zwischen Nachrichten und Spielfilmen nicht mehr wahr.

Was ist anstrengender: Internet oder Fußmarsch?

Internet. Es ist sehr stumpfsinnig und schmerzt physisch mehr. Vor allem in den Augen. Auch wenn man auf interessante Websites stößt.

Welche denn?

Davon sind mir auch nicht viele in Erinnerung geblieben. Diese chinesischen Seiten vielleicht, auf denen man gar nichts lesen kann. Die sind ganz interessant für Grafiker. Ganz spannend fand ich auch Seiten, auf denen man Inseln kaufen kann.

Welche Reisebilder bleiben von einer Autofahrt?

Schilder, Schilder, Schilder. Straßenmarkierungen. Beim Blick aus dem Autofenster hat man das Gefühl, die Landschaft zieht an einem vorbei. Man denkt, man sieht ganz viel an einem Tag, aber am Schluss bleiben wirklich nur Hinweisschilder und Begrenzungslinien. Oder die Mittelstreifen, die so – flap, flap, flap – vorbeirasen. Das ist fast wie ein Fernseher.

Bei welcher Reise lernt man die besten Leute kennen?

Beim Autofahren, wenn man trampt. Man trifft die unterschiedlichsten Leute. Auch solche, die man in seinem Bekanntenkreis nicht kennen lernen würde. Was total spannend ist. Die schönste Begegnung hatte ich aber auf meiner Schiffsreise, als ich mit dem Mainfrachter gefahren bin. Ein Ehepaar. Die beiden hatten ihr ganz eigenes Leben, auf dem Fluss ohne festen Wohnsitz.

So aus dem Bauch heraus: Jeweils ein Vorteil jeder Reiseart?

Zu Fuß nimmt man sich und die Umwelt am meisten wahr. Das Schiff strahlt eine unglaubliche Ruhe aus. Auf der Straße sind es die Bekanntschaften mit den Leuten. Telefone sind einfach toll. Die Möglichkeit, sich mit jemandem, der tausende Kilometer weg ist, zu unterhalten: Das ist manchmal besser als direkt zu reden. Fliegen ist natürlich ein ganz erhabenes Gefühl, man kommt sich vor wie der König, so über den Wolken, total entrückt.

Fehlt noch Fernsehen und Internet.

Da fällt es mir schwer, einen Vorteil zu nennen. Meistens fühlt man sich einfach leer danach.

Was ist das Tolle daran, in Gedanken zu reisen, ihrer achten Reiseform?

Das ist eigentlich die schnellste Art zu reisen. Wenn man plötzlich woanders ist, mitten in einem Tagtraum. Man sieht etwas, das irgendwas in einem auslöst und wups! – ist man weg. Eine Art der Fortbewegung, die jeder tagtäglich tausende Male macht.

Geschwindigkeitsexperten sprechen häufiger von „rasendem Stillstand“. Wo erlebt man den?

Vor allem beim Fernsehen. Wenn man sich an ganz verschiedenen Orten der Welt virtuell befindet, aber am Schluss vor lauter unterschiedlichen Eindrücken völlig stumpf ist.

Welche Reiseform ist nun die beste?

Das Laufen. Körperlich zwar die anstrengendste Art, die Wahrnehmung wird aber viel intensiver. Zum Beispiel, wenn ein Gewitter aufzieht, die Luft zum Schneiden dick ist und die Geräusche immer intensiver werden. Zu Fuß erschließt sich die Umgebung am besten. Selbst das Fahrrad ist da manchmal schon zu schnell.

Egal wohin man läuft?

Das Ziel ist nicht so wichtig. Der Weg ist das Ziel.