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Archiv-Artikel

„ND“ entlässt Volksfront-Gründer

Mit der „Volksfront gegen das Finanzkapital“ schielt der umstrittene Linkspublizist Elsässer ins rechte Lager. Dafür erhielt er jetzt von seiner Zeitung die Kündigung

BERLIN taz ■ Eigentlich wollte Jürgen Elsässer mit seiner „Volksfront gegen das Finanzkapital“ von links bis rechts allerlei Verbündete einsammeln. Doch jetzt muss er erst mal auf einen Unterstützer verzichten – und zwar ausgerechnet auf seinen wichtigsten Arbeitgeber: das Neue Deutschland (ND).

Die linke Zeitung kündigte ihrem prominenten Autor am Dienstag nach einem kurzen Gespräch. Die von Elsässer jüngst gegründete Initiative sei „auf einen äußeren Feind“ gerichtet und habe „nichts mit den tragenden redaktionellen Grundsätzen des ND“ zu tun. „Wir unterstellen ihm nicht, ins rechte Lager übergewechselt zu sein“, sagte ND-Chefredakteur Jürgen Reents der taz. Elsässer habe jedoch mit seiner Argumentation an „rechte Parolen angedockt“, die „höchst gefährlich“ seien. Es habe in den vergangenen Monaten immer wieder Meinungsverschiedenheiten gegeben, sagte Reents. Bis zuletzt habe Elsässer jedoch den Eindruck gemacht, dass er die Kritik nicht nur aus Kalkül annehme. „Am Dienstag machte er diesen Eindruck nicht mehr.“

Elässer, der sich auch nach wie vor als „Linker“ bezeichnet und sich ausdrücklich von Rechtsextremisten distanziert, hatte Ende letzter Woche die sogenannte Volksfront-Initiative gegründet. Der Wortlaut seiner Erklärung legt nahe, dass er rechtsextreme Kreise explizit in sein Bündnis integrieren will. Das Bündnis, schrieb der Publizist, sei für all jene offen, die sich gegen den „bewussten Angriff des angloamerikanischen Finanzkapitals“ zur Wehr setzen wollten. Bei der Abwehr spiele der „Nationalstaat“ die „entscheidende Rolle“. Hauptaufgabe der Volksfront sei „die entschädigungslose Nationalisierung des Finanzsektors“. Die NPD bezeichnete ihn daraufhin als „Eisbrecher“ zwischen links und rechts. Der Berliner Landesverband bot Elässer gar die Zusammenarbeit an.

Über die Aufkündigung seines Autorenvertrags beim ND zeigte sich Elsässer „enttäuscht“. In einem Brief an die Redaktion bezeichnete der 51-Jährige den Abbruch der Zusammenarbeit als einen „drastischen Schritt“, der für ihn „Ausdruck einer großen Nervosität und Verunsicherung“ sei, die die Linke ergriffen habe. Den Vorwurf, er habe von rechts gedankliche Anleihen genommen, wies er zurück. „Dies ist etwa so sinnvoll, als würde man Roosevelt vorwerfen, er habe bei Hitler ‚gedankliche Anleihen‘ genommen“, schrieb er mit Bezug auf den ehemaligen US-Präsidenten. Die Volksfront der Linken habe mit der Volksgemeinschaft der Nazis „nur den Wortanfang“ gemein. „Wer sinnvolle wirtschaftliche Maßnahmen nur deswegen nicht propagiert und umsetzt, weil auch die Rechten und Rechtsradikalen Ähnliches vorschlagen, überlässt den braunen Rattenfängern das Terrain.“

Kritik an Elsässers Projekt kam indes auch aus der Linkspartei. Kapitalismus nicht als soziales Verhältnis zu begreifen, sondern ihn auf die „angloamerikanische Finanzaristokratie zu reduzieren“, sei eine „originäre Nazi-Position“, heißt es in einer Erklärung des Bundesarbeitskreises „Shalom“ der Linksjugend. „Eine nationalbolschewistische Volksfrontpolitik, wie sie Jürgen Elsässer propagiert, ist nichts anderes als eine Querfrontpolitik.“ F. LEE, V. MEDICK