Helfen, bevor der Regen es unmöglich macht

Für die Darfur-Flüchtlinge im Tschad wird per Luftbrücke Hilfe herangeholt. Aber in Darfur selbst klappt es noch immer nicht

BERLIN taz ■ Für Idriss Déby, der von meuternden Soldaten und unzufriedenen Oppositionellen bedrängte Präsident des Tschad, muss gestern ein großer Tag gewesen sein. Am frühen Morgen landete die erste Maschine einer geplanten UN-Luftbrücke in Tschads Hauptstadt Ndjamena. Die Iljuschin aus Dänemark brachte nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR unter anderem 2.000 Plastikplanen, sechs in Platten zerlegte Lagerhallen und drei Geländewagen. Weitere Flüge sollen dem UNHCR endlich die umfassende Versorgung der Flüchtlinge aus Sudans Kriegsregion Darfur im unwegsamen Osten des Tschad ermöglichen.

So läuft allmählich die große internationale Hilfsaktion für die Darfur-Flüchtlinge im Tschad an, von denen das UNHCR bis 21. Mai 74.446 in sieben Flüchtlingslagern registriert hat. 105.000 warten noch auf der sudanesischen Seite der Grenze, erklärte jüngst das UNHCR-Büro in Ndjamena. Andere Hilfswerke gehen von bis zu 200.000 Darfur-Flüchtlingen im Tschad aus. Das Lager Touloum, errichtet für 6.000 Menschen, hält schon 17.000, und „jeden Tag kommen neue – zu Fuß, auf Eseln, in Konvois“, wie der lokale Lagerchef Alfred Demotibaye der UN-Nachrichtenagentur Irin sagte. Die Lager liegen oft Stunden von der nächsten Piste entfernt in der Savanne, die Hilfsgüter müssen mit angemieteten Lastwagen transportiert werden. Manche Hilfswerke wünschen sich nun Lufttransporte durch das im Tschad stationierte Kontingent der französischen Armee.

In Darfur selbst herrscht immer noch Krieg, vor allem in der Provinz Süd-Darfur mit der Hauptstadt Nyala. Der jüngste UN-Lagebericht vom Dienstag ist typisch für den brutalen Alltag eines Vertreibungskrieges: „Wegen anhaltender Angriffe und brennender Dörfer 30 bis 40 Kilometer südlich von Nyala nimmt der Strom von Vertriebenen ins Lager Kalma weiter zu“, steht da. „Dies geschieht zusätzlich zum Zustrom, den der Angriff auf das Dorf Kossolongo rund 16 Kilometer von Nyala entfernt und umliegende Dörfer auslöste. Die Zahl der im Lager registrierten Vertriebenen ist jetzt ungefähr 20.000. Vertriebene sammeln sich auch in der Nähe des Unicef-Büros in Nyala-Stadt.“

Noch immer sind nur rund die Hälfte der Vertriebenen in Darfur für die vom UN-Welternährungsprogramm WFP koordinierte internationale Lebensmittelhilfe erreichbar, heißt es seitens der UNO. Dass internationale Hilfswerke im Sudan seit Montag keine Sondergenehmigung mehr brauchen, um nach Darfur zu reisen, hat die Lage noch nicht entspannt. Die Deutsche Welthungerhilfe (DWHH), das einzige in Darfur stationierte deutsche Hilfswerk, erklärte gestern, es habe erst jetzt die Genehmigung erhalten, seine seit mehreren Wochen im Ort Kutum gelagerten Hilfsgüter zu verteilen – ab 1. Juni.

„Nicht der Zugang zur Krisenregion ist das Problem, sondern die Tatsache, dass sudanesische Behörden vor Ort geplante Hilfsmaßnahmen durch immer absurdere bürokratische Hürden zu verhindern suchen“, sagte gestern DWHH-Vorsitzende Ingeborg Schäuble. So fliegen die USA regelmäßig Hilfsgüter wie Material zum Aufbau von Vertriebenenlagern zum Beispiel nach Nyala, und nach Angaben des WFP sind genug Hilfsgüter für die nächsten vier Monate vorhanden. Aber „unsichere Straßen, ein unzuverlässiges und teures Transportwesen und Regierungseinschränkungen für internationale Hilfswerke“, so das WFP, stellten eine „zunehmende Belastung“ dar. Die Regierung soll am 5. Mai schriftlich angeordnet haben, dass internationale Hilfe von sudanesischen Hilfswerken verteilt werden müsse und dass die Einschätzung von Bedürftigkeit unter staatlicher Federführung erfolgt.

So verstreicht die kostbare Frist bis zum Einbruch der Regenzeit Anfang Juni, während der die Infrastruktur für kontinuierliche Hilfe entstehen muss – wenn nicht hunderttausende Menschen wieder von Versorgung abgeschnitten werden sollen. Der UN-Sicherheitsrat forderte am Dienstag in einer ersten Erklärung zur Krise in Darfur zwar „sofortigen humanitären Zugang zur Bevölkerung“ und äußerte „ernste Sorge über andauernde logistische Behinderungen, die eine schnelle Reaktion verbieten“. Konsequenzen wurden aber nicht angedroht.

Stattdessen verlässt sich die UNO weiterhin auf die Afrikanische Union, deren Sicherheitsrat am Dienstagabend die Entsendung von 60 Beobachtern nach Darfur beschloss, „notfalls“ mit 100 bis 300 Soldaten als Begleitschutz. Die afrikanischen Beobachter sollen in al-Faschir stationiert werden, Hauptstadt der Provinz Nord-Darfur. Hier herrscht die Regierung, und es sind die Rebellen, die mit Angriffsdrohungen Unsicherheit verbreiten. Mit diesem internationalen Einsatz ist die Regierung des Sudan zufrieden. DOMINIC JOHNSON