piwik no script img

Archiv-Artikel

Acht Punkte mit viel Symbolik

Trotz kantiger Beschlüsse wird das ohnehin harte Ausländerrecht nur punktuell schärfer

FREIBURG taz ■ Die ohnehin strengen Bestimmungen des deutsche Ausländerrechts werden durch den Kompromiss beim Zuwanderungsgesetz punktuell noch verschärft, auch wenn sich die schlimmsten Befürchtungen nicht erfüllt haben.

Ein großer Teil der jetzt beschlossenen Regelungen beschäftigt sich mit der Ausweisung unerwünschter Ausländer. Dass vermeintlich gefährliche Ausländer aufgrund einer tatsachengestützten Gefahrenprognose ausgewiesen werden können, ist nichts Neues. Schon bisher waren Ausweisungen zur Gefahrenabwehr möglich, auch wenn der Ausländer noch keine Straftat begangen hatte. Neu ist vielmehr das Schnellverfahren, das hier künftig angewandt werden kann. „Zur Abwehr einer terroristischen Gefahr“ kann jetzt eine Abschiebungsanordnung erlassen werden, die zwei Verfahrensschritte (Ausweisung und Abschiebung) zu einem zusammenfasst. Gegen diese Anordnung kann zwar binnen sieben Tagen noch ein Gericht angerufen werden, doch es gibt nur noch eine Instanz, das Bundesverwaltungsgericht. Da die Leipziger Richter gewohnt sind, ihre Fälle sehr gründlich zu prüfen, ist zweifelhaft, ob das Verfahren gegenüber dem jetzigen Eilrechtsschutz mit zwei Instanzen wirklich beschleunigt wird.

Für diese Regelungen existiert bereits ein Gesetzentwurf, der der taz vorliegt. Hierauf hatten sich Regierung und Opposition bereits vor Wochen geeinigt. Offen war aber noch, wer die neu eingeführte Abschiebungsanordnung erlässt. Im Regierungsentwurf war hierfür das Bundes-Innenministerium vorgesehen. Auf Druck der Union sind künftig im Regelfall die Landesinnenministerien zuständig. Der Bundesminister soll allerdings ein Zugriffsrecht haben, falls ein Fall „besondere Bedeutung“ hat – und das wird, wenn das Instrument nicht inflationär eingesetzt wird, die Regel sein.

Die neue Ausweisungsmöglichkeit für so genannte Hassprediger ist symbolische Politik und soll Entschlossenheit gegenüber Leuten wie dem „Kalifen von Köln“ demonstrieren. Wer volksverhetzende Reden hält oder zur Gewalt aufruft, kann bereits ausgewiesen werden. Beim Kalifen scheiterte die Abschiebung bisher an der Lage in der Türkei. Eigentlich wollte die Union, dass bei jeder strafrechtlichen Verurteilung von mindestens einem Jahr Haft automatisch die Ausweisung folgt. Damit hat sie nur im Fall von verurteilten Schleusern durchgesetzt. Sonst ist auch künftig die Ausweisung erst bei einer dreijährigen Haftstrafe unausweichlich.

Falls die Ausweisung aus humanitären Gründen nicht vollstreckt werden kann, etwa weil im Heimatland Folter oder Todesstrafe droht, soll der Ausländer künftig strenger überwacht werden. Beschlossen wurden Meldeauflagen, Reiseverbote und strafbewehrte Kommunikationsbeschränkungen. Mit Letzterem ist vermutlich gemeint, dass ein gefährlicher Ausländer bestraft wird, wenn er trotz Verbot im Internet Verschlüsselungstechnologien benutzt oder mit einem schwer zu überwachenden Prepaid-Handy telefoniert. Der von Innenminister Otto Schily (SPD) aufgebrachte und von der Union übernommene Vorschlag für eine Präventivhaft wird nicht verwirklicht.

Einer besseren Überwachung dienen auch weitere Beschlüsse des Zuwanderungs-Gipfels. Künftig wird eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz vorgeschrieben, wenn ein Ausländer sich einbürgern lassen will oder wenn er ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht beantragt. Faktisch ändert sich dadurch nicht viel. Nach Angaben des Deutschen Anwaltvereins wird die Regelanfrage bei der Einbürgerung heute schon generell praktiziert und in Aufenthaltsfragen bei bestimmten kritischen Herkunftsstaaten wie Marokko oder Pakistan.

Zur Überprüfung von Ausländern, die ein Visum für Deutschland beantragen, soll eine Warndatei eingeführt werden, in der die von Polizei und Geheimdiensten gesammelten Informationen über gefährliche Ausländer zusammengeführt werden. Bis 2006 wird der EU Zeit gegeben, eine solche Datei einzurichten, ansonsten wird national vorgegangen. Doch schon bisher können deutsche Botschaften vor Erteilung eines Visums Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden abfragen.

Positiv für die Länder ist die Zusage des Bundes, die Kosten für Integrationskurse zu übernehmen. Ausländer sollen auch einen Anspruch auf die Teilnahme haben. Umgekehrt werden Ausländern, die sich solchen Angeboten verweigern, Sanktionen angedroht. Sie sollen ihren Aufenthaltsstatus nicht verbessern können. Unter nicht näher bezeichneten Umständen soll sogar die Aufenthaltserlaubnis nicht mehr verlängert werden. Gegenüber EU-Bürgern sind solche Sanktionen allerdings unzulässig, ebenso gegenüber hier lebenden Bürgern der Türkei, die sich auf die Assoziationsabkommen mit der EU berufen können.

Endlich hat die Union akzeptiert, dass auch geschlechtsspezifische Verfolgung zu einer Anerkennung als Flüchtling führen kann. Bislang haben fast alle Staaten der Welt die Genfer Flüchtlingskonvention so ausgelegt, nur Deutschland nicht. Nach einer jüngst beschlossenen EU-Vorgabe hatte Deutschland aber auch kaum noch Spielraum für seinen Sonderweg.

CHRISTIAN RATH