ssw auf koalitionskurs
: Dänen schlucken deutsches Dogma

Wenn der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) erklärt, die Partei sei gereift und stehe deswegen künftig auch als Koalitionspartner zur Verfügung, klingt das, als seien Minderheitsregierungen unter Tolerierung einer Fraktion grundsätzlich Kinderfasching. Damit sind 60 Jahre SSW-Geschichte einfach vom Tisch gewischt.

KOMMENTAR VON JAN KAHLCKE

Der SSW stand – neben der Interessenvertretung der dänischen Minderheit – von jeher auch dafür, die Vorteile skandinavischer Gesellschaftsmodelle auch in Deutschland bekannt und salonfähig zu machen. Kernstück dieser Strategie war es im politischen Bereich, dem deutschen Dogma von stabilen Mehrheiten das (längst nicht nur) in Skandinavien verbreitete Modell der Minderheitsregierung entgegenzuhalten – und es als Zünglein an der Waage auch politisch zu ermöglichen. Damit hat der SSW eine Menge Sympathien auch unter Nicht-Dänen gewonnen.

Die Abkehr davon ist wenig plausibel: Heide Simonis’ Wiederwahl scheiterte wohl nicht an wackelnden Tolerierungspartnern, sondern an Heckenschützen aus der SPD. Und die Tolerierung durch die Linke in Hessen scheiterte ebenfalls an der zerrissenen Sozialdemokratie.

Verständlich wäre also, wenn der SSW daraus folgerte: Mit den Sozis wollen wir nicht mehr! Gegen Tolerierungen gibt es keine neuen Argumente.

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