: Marokko statt Kulturhauptstadt
Statt die Wahl der Stadt Essen zur NRW-Berwerberin um die Kulturhauptstadt zu feiern, flog die SPD-Fraktion im Kommunalverband Ruhrgebiet lieber zur viertägigen Weiterbildung nach Marokko
VON ELMAR KOK
Am Donnerstag letzter Woche feierte der Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR) die Stadt Essen, Stellvertreterin für das Ruhrgebiet, als nordrhein-westfälische Bewerberin zur europäischen Kulturhauptstadt 2010. Die Vertreter der Parteien in der Verbandsversammlung waren alle da – bis auf die SPD.
Die Sozialdemokraten im KVR waren auf Fraktionsreise in Marokko. Mit dabei: Michael Vagedes, Geschäftsführer der Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet GmbH (AGR). Die AGR ist das Entsorgungsunternehmen des KVR und Vagedes sei nach Angaben des Geschäftsführers der SPD-Fraktion im KVR, Siegfried Döring, als „beratendes Mitglied“ der Fraktion mit auf die Reise genommen worden. Thomas Rommelspacher, Essener Landtagsabgeordneter der Grünen, sagt zur Reise nach Marokko: „Das zeigt mal wieder den Filz in der SPD. Die Reise steht in keinem Zusammenhang mit den Aufgaben der Abgeordneten in der Verbandsversammlung.“
Den versucht die SPD aber zumindest zu konstruieren. Auf eine Anfrage per Email antwortet Siegfried Döring schriftlich. Bei der Reise sei es unter anderem um die kommunale Selbstverwaltung in Marokko, Organisation von städteübergreifender Zusammenarbeit, die Situation marokkanischer Gastarbeiter im Ruhrgebiet, sowie Wertvorstellungen des sunnitischen Islam gegangen. Auf Telefonanfrage haben Döring, die Fraktionsvorsitzende Martina Schmück-Glock, die beiden Fraktionsvize Peter Demnitz und Bruna Sagurna zuvor nicht reagiert. Eine Email-Nachfrage zur Döring-Erklärung für die Reise wird von Schmück-Glock so beantwortet: „...wir gehen davon aus, dass die Ihnen vorliegenden Antworten dem journalistischen Anspruch nach Information genügen.“
Welche Stiftungen und Handelskammern laut Döring die Reise vorbereitet haben, bleibt damit unklar. Auch welche Weiterbildungsinstitute, die nach Dörings Angaben die Reise zu einem Drittel finanziert haben, bleibt Geheimnis der SPD. Dass AGR-Geschäftsführer Michael Vagedes mit nach Marokko gereist ist, begründet Fraktionschefin Schmück-Glock so: Vagedes sollte nach dem Ausscheiden als KVR-Dezenent vor 20 Jahren „wegen seiner juristischen Kenntnisse sowie wegen der großen Bedeutung der AGR für den Verband weiterhin der Fraktion beratend zur Verfügung stehen“.
Die AGR misst der Reise keine Bedeutung zu, unternehmerischen Gründe habe es nicht gegeben. „Herr Vagedes ist privat gereist und hat dafür Urlaub genommen“, sagt Heinz Struszcynski, Sprecher des Entsorgers. Und weiter: „Er hat die ja nur geführt, er war ja vor einem halben Jahr schon in Marokko.“ Die CDU-Vertreter im KVR können an der Reiselust der Sozis nichts unanständiges finden. „Die haben die Reise ja schon lange geplant, dann konnten die sicherlich nicht mehr absagen“, entschuldigt Jürgen Kämpgen, Duisburger CDU-Mitglied der Versamlung den politischen Kontrahenten. Darüber, dass es ausgerechnet Marokko hätte sein müssen, um sich weiterzubilden, rätselt Kämpgen, „aber vielleicht liegt das daran, dass die ja auch irgendwann in die EU wollen“. Die CDU sei nur im europäischen Ausland gewesen, sagt Kämpgen. „Demnächst bereisen wir noch die neuen EU-Länder, Litauen und so.“ Zur Reiselust der Parlamentarier sagt Rommelspacher: „Ich wäre sehr daran interessiert, dass sich die Kommunalaufsicht mal damit befasst.“