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Archiv-Artikel

In Osteuropa wachsen die Designpflanzen – mit Hilfe von US-Dollars

Hier eine gentechfreie Zone, dort großflächiger Gen-Anbau: Nicht alle neuen EU-Länder nutzen Gentechnik. Wer es aber tut, der pflanzt in großem Stil – gegen die EU-Regeln

BERLIN taz ■ Die Zuhörer schwankten zwischen Begeisterung und Skepsis: Ist Slowenien das „gentechfreie Paradies“, wie es am 23. April auf der Jahrestagung des Öko-Instituts zur „Umweltpolitik im neuen Europa“ hieß? Mira Zupanc-Kos vom slowenischen Ministerium für Landwirtschaft erklärte: Es gebe „genfreie Regionen“, in denen der Anbau von Gentech verboten sei und eine Haftungsregel, wonach der „Verschmutzer zahlt“.

Solche strengen Regeln konnte sich Slowenien bis zum EU-Beitritt erlauben. Doch staatlich verordnete „gentechfreie Zonen“ sind in der EU verboten. Das ist einer der vielen Punkte beim Thema Gentechnik, die nun nach der EU-Osterweiterung geklärt werden müssen – zum Teil vor den Gerichten. Denn die Haltung der osteuropäischen EU-Beitrittsländer zur grünen Gentech ist je nach Land sehr unterschiedlich.

Vor dem EU-Beitritt der Länder im Osten haben vor allem die US-Genkonzerne versucht, dort Fuß zu fassen. Im Herbst 2000 bewilligte der US-Senat 30 Millionen Dollar, um die US-Konzerne bei der Einführung von Gentech in den Ländern Osteuropas zu unterstützen. Die ersten Freisetzungsversuche fanden Anfang der 90er-Jahre in Bulgarien statt, ohne dass es eine gesetzliche Grundlage dafür gab.

Inzwischen sind überall Gesetze erlassen worden, doch manche Staaten haben nicht einmal zertifizierte Labors, die untersuchen können, ob Gentech in Futter- und Lebensmitteln enthalten ist. „Problematisch bleibt die Kontrolle“, bilanziert ein Gutachten des Freiburger Öko-Instituts zur „Agrogentechnik in den EU-Beitrittsländern“. In welchem Ausmaß Genfood, Genfutter und Gensaaten zirkulierten, sei „weitgehend unbekannt“ – und die Information der Öffentlichkeit über die grüne Gentechnik sei „in einigen Beitrittsstaaten noch mangelhaft“.

In Ungarn wurden seit 1996 noch vor einer gesetzlichen Regelung die ersten Freisetzungsversuche unternommen. Kartoffeln, Mais, Raps, Tabak, Tomaten und Luzerne wurden angebaut. Staatliche Labors überwachen das Saatgut auf Gentechnik – schließlich wollen die Ungarn nicht den Markt für gentechfreien Mais in der EU verlieren.

Auch in Tschechien hat es nach dem Gutachten des Öko-Instituts zwischen 1997 und 2000 viele Freisetzungen gegeben – vor allem von Mais, Raps und Zuckerrüben. Gentechnisch veränderte Nahrungsmittel sind in Tschechien auf dem Markt – über große Lebensmittelkonzerne wie Nestle, Danone, Unilever oder Tesco.

Slowenien und die Slowakei betreiben offiziell eine restriktive Politik gegenüber der Gentechnik. In Slowenien ist der Import verboten, doch bei Stichproben wurden Genspuren in Lebensmitteln gefunden. Das gleiche gilt für Proben in Estland. Die baltischen Staaten bauen gerade ein gemeinsames Testlabor für die Lebensmittelsicherheit auf, denn in welchem Maß die Kennzeichnungspflicht eingehalten wird, ist gänzlich unbekannt.

Rumänien und Bulgarien schließlich sind mit Blick auf die Gentechnik der wilde Osten der EU. In Rumänien wurden großflächig mit Mais und Kartoffeln experimentiert, die Unterlagen dazu sind geheim. Seit 1999 werden transgene Sojabohnen kommerziell angebaut. Rumänien besitzt die drittgrößte Anbaufläche für Soja in Europa – mehr als die Hälfte davon ist nach Informationen der „Northern Alliance for Sustainability“ (Anped) mit Gensoja bepflanzt.

Bulgarien dagegen baut großflächig auf 20.000 Hektar transgenen Mais – und nennt das Versuchsanbau. Da der Mais aber kommerziell angeboten wird, vermutet das Öko-Institut, dass es sich „trotz der Behauptungen der Behörden um einen kommerziellen Anbau handelt“. Die Genpflanzen gelangen in die Nahrungskette, weil sie verfüttert werden. Ein Expertengremium zur Genehmigung von Gen-Versuchen ist mit Wissenschaftlern besetzt, die teilweise selbst an diesen Versuchen beteiligt sind. Die Politik Bulgariens verstößt unter anderem gegen das Cartagena-Protokoll zur Biosicherheit, das strenge Regeln für den Import und Export von Gen-Organismen festlegt – obwohl Bulgarien das erste Land der Welt war, das das Cartagena-Protokoll ratifizierte. BERNHARD PÖTTER