„Städte können sich Partner nicht aussuchen“

Die Dortmunder Professorin Sabine Baumgart sieht das Engagement von Großfirmen im Ruhrgebiet als Chance, Stadtviertel zu verschönern. Die bankrotten Kommunen sollen nur noch als Managerinnen auftreten

RAG Immobilien hat angekündigt, nicht nur Wohnungen kaufen, sondern gleich ganze Stadtteile zu verwalten. Steht ihnen das überhaupt zu?Das ist nicht mehr die Frage. Bei leeren öffentlichen Kassen haben die Städte keine Wahl mehr, sie sind auf die private Wirtschaft angewiesen. Was sollen sie denn ohne sie tun? Die schrumpfende Bevölkerung, Migration, Alterspyramide – das sind alles Dinge, die nur mit allen Partnern gelöst werden können.

Aber Wirtschaft, Städte und MieterInnen haben unterschiedliche Interessen.Natürlich, die Interessen können nicht übereinstimmen. Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohl passen nicht unbedingt zusammen, da brauchen uns RAG und andere Großfirmen nichts vorzumachen. Die Städte müssen jetzt dafür sorgen, das es eine gemeinsame Zielsetzung gibt.Was sind denn die gemeinsamen Ziele?Alle wollen ein schönes Wohnumfeld. Die Mieter und Mieterinnen wollen Lebensqualität in ihren eigenen vier Wänden, die Immobilienfirmen können attraktive Wohnungen besser und teurer vermarkten. Deshalb müssen zum Beispiel Grünflächen geschaffen, das Stadtviertel zum Naherholungszentrum werden, die Wohnungen saniert und mit Balkonen ausgestattet werden.Dann können sich Firmen erlauben, höhere Mieten zu nehmen. Nicht alle MieterInnen können sich ein schöneres Wohnumfeld auch leisten...Das ist die negative Seite: Bei jeder Verbesserung beginnt auch gleichzeitig ein Verdrängungsprozess – je schöner die Wohnung, desto teurer. Arme MieterInnen müssen dann wiederum umziehen in unattraktivere Viertel mit niedrigen Mieten, bis auch hier wieder der Luxus kommt. Hier eine Balance zu finden, ist sehr schwierig.

Haben die Städte ihre Macht über die Viertel in besseren Zeiten einfach abgegeben?Ihre Macht war immer schon begrenzt. Es gibt immer bestimmte Konjunkturen für Stadtbaupolitik, immer einen anderen Trend. In den 80er Jahren war es die Stadterneuerung, zum Beispiel durch Altbausanierung. Jetzt stehen Problemquartiere im Mittelpunkt, der kränkelnde Einzelhandel. Alles Dinge, die mit der Wirtschaft zu tun haben.Was bleibt den Städten überhaupt noch zu tun?Sie müssen eingreifen, um einen Konsens zu finden. Sie muss alle Beteiligten managen, muss Ziele finden, Fristen festlegen. Die Internationale Bauausstellung hat in den 90er Jahren die Industriebestände neu bewertet, so ein Konzept muss auch für den Wohnungsmarkt gefunden werden.

INTERVIEW: ANNIKA JOERES