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Archiv-Artikel

Ein Sammel-Laster gegen den Dauerstau

Modellprojekt erspart Regensburg eine Menge Lkw-Verkehr: Ware wird gesammelt und in einer Tour ausgefahren

MÜNCHEN taz ■ Als Friedrich II. im Jahr 1245 Regensburg das Privileg einer „freien Reichsstadt“ verlieh, bewunderte er die prächtigen Straßen und Brücken der Donaumetropole. Viel verändert hat sich dort seitdem eigentlich nicht – zumindest in der von romanischer und gotischer Architektur geprägten Altstadt. Was bedeutet, dass jene Sträßchen, die Friedrich II. bestaunte, für Lkw-Fahrer von heute reichlich enge Gassen darstellen.

Weil der tägliche Lieferverkehr in die nur gut einen Quadratkilometer große Altstadt zunehmend zur Quälerei für Fahrer, Besucher und Anwohner geriet, war Regensburg vor fünf Jahren der ideale Standort, um eine eigentlich simple und dennoch nur sehr schwer umzusetzende Idee zu verwirklichen: Da die meisten Lastwagen nur einen kleinen Teil ihrer Ladung im Zentrum ablieferten und den Rest woanders, hielt man es für sinnvoll, die verschiedenen für die Altstadt bestimmten Waren zu sammeln und gezielt mit wenigen Lkw-Fahrten dorthin zu bringen.

Anfang der 90er-Jahre entwickelte die in Regensburg ansässige Abteilung für Verkehrsforschung bei BMW ein entsprechendes Logistik-Konzept für Innenstädte. Diese Theorie nennt sich in der erprobten Praxis nun Regionallogistik oder kurz RegLog und hat der Altstadt in den vergangenen fünf Jahren bald 15.000 gefahrene Lkw-Kilometer erspart. Jeden Morgen, sagt der BMW-Projektbetreuer Reinhard Eberl, „fahren ein bis zwei Laster eine Tour zu den sechs größten Speditionen hier in der Stadt und sammeln die Ware ein“. Die wird dann auf dem Betriebshof des Regensburger Güterverkehrszentrums umgeschlagen – also geordnet und sortiert – und anschließend zu den Geschäften ins Zentrum gebracht. Wo früher „acht Fahrten am Tag notwendig waren, reichen heute eine bis zwei“, sagt Eberl. Viele Großlieferungen für einzelne Geschäfte kommen immer noch extra. Somit wirken die Mengen, die RegLog bewegt, nicht eben riesig, doch das Mikromodell Regensburg könnte Schule machen.

Das größte Problem des Pilotprojekts lag nicht in der logistischen Planung, sondern vielmehr darin, miteinander konkurrierende Unternehmen zur Zusammenarbeit zu bewegen. Eberl: „Das Misstrauen zwischen den Spediteuren war zu Anfang riesengroß.“ Außerdem kostet die morgendliche Sammelrunde viel Zeit. Doch schnell war den Speditionen klar, dass man durch die erheblich gestraffte Auslieferung noch mehr Zeit gewinnt und somit Kapazitäten für andere Aufträge frei hat. So gesehen lohnt es sich, denjenigen zu bezahlen, der die Sammeltransporte in die Altstadt durchführt. Zahlreiche andere Projekte, die in den 90er-Jahren in Deutschland starteten, sind daran gescheitert, dass sich diese Einsicht nicht durchgesetzt hat.

In Regensburg hingegen hat das Modell inzwischen einen Baumarkt am Stadtrand überzeugt, bei dem die Anlieferer sonst jeden Morgen lange warten mussten. Jetzt sortiert RegLog vor. Beim riesigen Güterverteilzentrum, dem RegLog angegliedert ist, denkt Geschäftsführer Bernhard Dauerer angesichts des Erfolgs bereits über ein „Logistik-Kompetenzzentrum“ nach, das die „elektronische Steuerung von Warenflüssen“ in größerem Rahmen regeln soll und so viele überflüssige, weil unkoordinierte Lkw-Fahrten einsparen könnte. Auf dass die Straßen wieder so frei werden wie einst, als Friedrich II. in Regensburg einzog. Naja, fast zumindest. JÖRG SCHALLENBERG