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Archiv-Artikel

Scheinverkäufe bereiten Städten Probleme

Berlin verkaufte U-Bahnen an US-Investor und mietete sie zurück – Änderung der Rechtslage in den USA könnten den finanziellen Vorteil nun zunichte machen. Gesetzesvorschlag des US-Senats. Viele deutsche Kommunen betroffen

KÖLN taz ■ 420 Millionen Dollar würde Potomac Electric Power (Pepco) zukünftig einbüßen, wenn es nach der Finanzkommission des US-Senats geht. Im Gesetzesvorschlag vom 11. Mai zur Unternehmensbesteuerung heißt es, dass US-Konzerne ab sofort keine Steuervorteile aus ihren bisher abgeschlossenen Cross-Border-Leasing-Verträgen mehr erhalten. Diese Rechtsänderung könnte weitreichende Folgen für deutsche Kommunen haben, die Infrastruktur wie zum Beispiel U-Bahnen an US-Investoren verkauft haben.

Pepco hat zwei Millionen Gas- und Stromkunden in den Bundesstaaten Maryland, Delaware, New Jersey, Virginia und in Washington. Obwohl die Gewinne in den letzten Jahren beständig anstiegen, gingen die Steuerzahlungen zurück. In einem von der Börsenaufsicht Security Exchange Commission (SEC) angeforderten Bericht hat Pepco jetzt seine zahlreichen Cross Border Leasings aufgelistet: Seit 2000 kaufte man für 1,2 Milliarden Dollar Kraftwerke und Gasnetze in Österreich, den Niederlanden und in Australien und vermietet sie für 25 Jahre an die dortigen Eigentümer zurück. Für diese steuerbegünstigte „Investition“ sackte Pepco vom US-Fiskus im Jahre 2003 immerhin 144 Millionen Dollar an Steuerrückzahlungen ein.

Wie bei Pepco wird gegenwärtig in vielen US-Unternehmen gerechnet. Vor allem bei den zahlreichen Banken ist eine gemäßigte Panik ausgebrochen. First Union, Wachovia, Key Bank, Citigroup und vierzig weitere: Sie haben seit 1999 für hunderte Milliarden Dollar die Straßenbahnen, Messehallen und Kanalisationen von Düsseldorf, Stuttgart, Leipzig, Zürich, Wien und anderen Städten aufgekauft und diese mit „Barwertvorteilen“ zwischen 20 und 40 Millionen Dollar belohnt.

Zwar kann den Städten keiner mehr ihre einmal eingenommenen Millionen wegnehmen. Aber auch wenn die Gesetzesvorlage des Senats nicht durchkommt, hat die oberste Steuerbehörde, der Internal Revenue Service (IRS), bereits Oberwasser. Er hat schon bisher Cross Border Leasing nach dem geltenden Prinzip der „ökonomischen Substanz“ als Scheingeschäfte charakterisiert. Alle werden jetzt überprüft. Da können auf die Städte harte Zeiten zukommen.

90 Prozent der „Investoren“ sind Banken. Sie haben ihren vermögenden Anlegern für die Vertragslaufzeit von 25 bis 30 Jahren hohe Renditen versprochen. Wenn die nicht mehr realisierbar sind, suchen die Banken nach Möglichkeiten, aus den Verträgen auszusteigen. Sollte eine Stadt das vereinbarte Wertvolumen nicht einhalten können, etwa weil ein Teil der Kanalisation und der Messehallen nicht mehr gebraucht wird, kann der Investor wegen Vertragsverletzung kündigen. Schadenersatzforderungen würden erhoben.

Einen Vorgeschmack bekommen gegenwärtig die Berliner Verkehrsbetriebe. Die BVG haben seit 1997 in aller Heimlichkeit insgesamt 511 Straßen- und 427 U-Bahnen verleast, die Hälfte ihres Bestandes. Inzwischen besteht wegen zurückgehenden Fahrgastaufkommens Wagenüberschuss. Obwohl das Verschrotten unfallbeschädigter Bahnen billiger gewesen wäre, mussten mehrere repariert werden. Sie stehen nun betriebsbereit, unbenutzt und kostentreibend im Depot – sie gehören ja dem US-Investor.

Noch dramatischer wird es, wenn ab 2007 nach EU-Recht Schienennetze an Wettbewerber abgegeben werden müssen. Die Depots füllen sich mit überflüssigen Zügen, und Cross Border Leasing würde sich aus einer angeblich cleveren Geldbeschaffung in einen Konkursgrund verwandeln. WERNER RÜGEMER