frisch gestrichen (3) : Posthume Dienstleistung
Freifahrtschein zur Obduktion
992 Millionen Euro weniger im Doppelhaushalt. Auf der Streichliste steht viel Gutes. Und viel, bei dem man sagt: Gut, dass dort endlich gespart wird. Die taz schaut auf den Einzelfall:
Wer sagt eigentlich, dass nur am lebenden Berliner gespart werden kann? Die Senatsverwaltung für Gesundheit bestimmt nicht. Schließlich kosten auch tote Menschen Geld. Vor allem wenn die Umstände ihres Ablebens eine Obduktion erforderlich machen – weil die Polizei ermittelt oder die Lebensversicherung zickt.
Obduziert wird zwar weiterhin kostenfrei. Doch im Transport der Leiche zur Obduktion hat die Senatsverwaltung eine Art posthume Dienstleistung erkannt und sich gefragt, warum dafür niemand zahlt. Antwort: weil der Gebührenkatalog das nicht vorsah – bislang. Denn jetzt wurden die Freifahrtscheine zur Obduktion gestrichen.
Niemand wird mehr kostenlos mit einem der drei Leichenwagen des „Landesinstituts für gerichtliche und soziale Medizin“ chauffiert. Nach der neuen „Verordnung über die Erhebung von Gebühren im Gesundheits- und Sozialwesen“ (GVBI Nr. 6) sollen die „bestattungspflichtigen“ Angehörigen jetzt das Ticket lösen – mithin diejenigen, die hoffentlich in den meisten Fällen die geringste Schuld trifft. 119,50 Euro kostet dieser so genannte Ersttransport“.
„Pietätlos“, findet das der Bund Deutscher Kriminalbeamter und fordert, die Rücknahme der Verordnung. „Gerecht“, findet die Senatsverwaltung, denn die meisten Ersttransporte werden heutzutage von privaten Bestattungssinstituten übernommen und kosten auch Geld – in den meisten Fällen sogar mehr als 119,50 Euro.
Noch Fragen? Ja. Was passiert eigentlich, wenn die Verwandten sich den Transport nicht leisten können? Fällt die Obduktion dann aus? Erhöht das die Rate der Morde an engen Verwandten in sozial schwächer gestellten Familien? – Nein. Im Fall des Falles übernimmt das Sozialamt die Kosten.
Was muss weg, was soll bleiben? frischgestrichen@taz.de