theater
: Rekonstruktion kinskischer Wortkaskaden – ganz leicht zu verstehen

Die deutsche Talkshow (geb. 1973) ist ein eheliches Kind. Ihre Mutter ist das linke Diskussionsmilieu, ihr Vater das Fernsehen. Mit vier Jahren begegnet die Talkshow dem bösen Mann: Er heißt Klaus Kinski, betritt am 2. Juli 1977 das Studio B des WDR und verschafft dem deutschen Sabbel-TV sein erstes Kindheitstrauma. Kinskis legendärer Auftritt gilt als Paradebeispiel medialer Nicht-Kommunikation.

An der Kölner Studiobühne rekonstruiert Regisseurin Paula Artkamp das ergreifende Stück Fernsehgeschichte: In einem Ambiente aus Flokati und großgemusterter Wanddeko sprechen Klaus Kinski (Leopold von Verschuer) und Moderator Münchenhagen (Matthias Breitenbach) den Originaltext. Das heißt: Münchenhagen kommt nicht zu Wort. Während er und ein Grimassen schneidender Manfred Krug (Peter Kneip) stumm auf braunen Cordpolstern sitzen, monologisiert ein manischer Kinski über das Reden an sich und stellt fest: „Das Missverständnis ist permanent.“ Mit Feuereifer produziert der angebliche Bürgerschreck Wortkaskaden von bestürzender Inhaltslosigkeit, unterbricht sich, redet übers Unterbrechen und fragt mit salbungsvoller Eindringlichkeit: „Verstehen Sie?“ – ohne dass es etwas zu verstehen gäbe. Wie besessen quatscht der Schauspieler dem kommunikativen Nullpunkt entgegen, zerfasert und zerfaselt seinen Redeschwall, verliert die Richtung in einem Un-Interview ohne Ausweg. Als der Moderator endlich eine konkrete Frage stellen kann, fragt Kinski perplex zurück: „Worüber reden Sie eigentlich?“

Den historischen Text rahmt Autorin Katrin Röggla mit zusätzlichen Szenen, in denen es ebenfalls um das Eine geht: um absurde Kommunikation und die Labermaschinerie TV. Szenen, die zeigen, wie man sein Gegenüber mit geballter Kommunikationstheorie ins Kopfweh quasseln kann, um dann als Antwort zu hören: „Wie meinen Sie das?“ Szenen, in denen ein grenzdebiler Kinski-Fanclub um Verständnis wirbt für sein Idol; immerhin ist Kinski noch ein Selbstdarsteller von Format gewesen, während in heutigen Shows nur geklonte Langweiler übers Reden reden.

Saukomisch und dabei bestechend aktuell ist diese irritierende Performance. Eine medienkritische Komödie, sprachlich ausgezeichnet, von der Idee her entlarvend. Und ganz leicht zu verstehen. Holger Möhlmann

„Sie haben so viel liebe gegeben, herr kinski“, Studiobühne Köln, Universitätsstr. 16a, Tel. 0221/470 45 13, nächste Vorstellungen: 4.-6.6., 20 Uhr