: Alternative Politik in weiter Ferne
betr.: „Schwacher Sieger, gestärkter Verlierer“, taz vom 19. 1. 09, „Die Machtlose“, taz 16. 1. 09
Erinnern wir uns doch bitte an die Zeit vor der vorigen Hessenwahl. Da sah alles so aus, als könnten SPD und Grüne aus eigener Kraft gewinnen und mit Hermann Scheer eine alternative – nicht linke! – Wirtschaftspolitik initiieren, die bis weit in die bürgerliche Mitte Akzeptanz findet. Das durfte nicht sein, und so brachte man die alte Allzweckwaffe Clement (RWE) in Stellung, der mit Hinweis auf ebendiese Wirtschaftspolitik vor der Wahl seiner eigenen Partei warnte. Ob das einen Effekt hatte? Jedenfalls zeigte es die SPD gespalten und reichte vielleicht, um diese klare Mehrheit zu verhindern. Und die Linke mit 5,3 Prozent in den Landtag zu hieven.
Damit war die Gefahr noch nicht gebannt. Die braven linken Abgeordneten machten keine Schwierigkeiten. Aber Ypsilanti hatte mit dem ihr von der Parteiführung abgerungenen Versprechen, nicht dem Vorbild Wowereits zu folgen, einen Fehler gemacht, auf den sie bürgerlich-wohlanständige Heuchelei nun festnageln konnte: Wahlversprechen bricht man nur, wenn es der „richtigen“ Macht dient – Merkel lässt grüßen. Auch lugte das uralte Gespenst von 1848 wieder aus seinem Keller, das konnte nun abgestaubt, zu übermenschlicher Größe aufgeblasen und grell ausgemalt werden. Beides reichte für eine gigantische Kampagne der sich gleichschaltenden bürgerlichen Medien, die ihre Wirkung – auch auf die taz, vor allem aber auf die SPD – nicht verfehlte: Trotz langer Diskussionsprozesse und demokratischer Abstimmungen in der Hessen-SPD schlug einer genügenden Zahl ansonsten unbedeutender Abgeordneter gerade noch rechtzeitig das Gewissen! Der Rest ist einfach: Bürgerliche Anständigkeit, von Koch auch strapaziert, schwenkt zur FDP. Wer eine alternative Politik will, wählt gleich Grün. Arbeiter, die um ihren Job fürchten, fühlen sich bei der CDU auf der sicheren Seite. Noch macht sich die Krise im Portemonnaie derer, die Arbeit haben, kaum bemerkbar, die Konjunkturpakete versprechen, dass es wohl nicht so schlimm wird. Und die SPD unterscheidet sich immer weniger von der CDU, ihre Zukunft liegt im Nebel.
Nachdem der Sündenbock Andrea Ypsilanti in die Wüste getrieben wurde, kann das Volk weiterleben wie bisher. Die taz schrieb ihr schon am Freitag einen sympathisierenden Nachruf: „Sie wird fehlen.“ Ja doch, vor allem aber ist die Chance, für eine alternative Politik eine Mehrheit zu gewinnen, wieder in die Ferne gerückt. Armes Deutschland! WOLFGANG WIEMERS,Münster